„Wir waren 23 Leute. In einem Auto. Wir sind sehr schnell über die Grenze gefahren. Wir haben uns alle an den Händen gehalten, damit wir nicht rausfallen. Da war ich 14 Jahre alt.“ Die Theater- und Performancegruppe chong ließ uns in einer kurzen Sequenz zu Beginn des Abends den Wahnsinn einer Flucht spüren, aber auch die positive Energie, die sie mitbringen und die uns schließlich durch den ganzen Abend trägt. 

Unter dem Motto „Geht nicht gibt‘s nicht“ startete der CSR-Circle am 26. Jänner fulminant und mit einigen Neuerungen ins neue Jahr: Erstmals in der Labstelle, erstmals in Kooperation mit respACT, mit einem vernetzungsorientierten Setting und 170 Gästen wurde über die Integration von Flüchtlingen am Arbeitsmarkt diskutiert und Erfahrungen ausgetauscht.

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Intensive Diskussionen mit spannenden Persönlichkeiten.

 

Die Rahmenbedingungen für eine gelingende Integration sind, vorsichtig formuliert, suboptimal. Erst wenn Asylsuchende als Flüchtlinge oder subsidiär Schutzberechtigte anerkannt sind, steht ihnen ein flächendeckendes Angebot an Deutschkursen und Kompetenzerhebungen offen. Es geht wertvolle (Integrations-)Zeit und viel Motivation verloren, und der mögliche Eintritt in den Arbeitsmarkt verzögert sich. „Durch dieses System schaffen wir langzeitarbeitslose Menschen“ erklärt Mag. Petra Draxl, Landesgeschäftsführerin AMS Wien. Sie plädiert dafür, dass Asylsuchende die Wartezeit sinnvoll nutzen, etwa indem sie Deutsch lernen und sich Basisqualifikationen aneignen. Unterstützt wird sie dabei von den anwesenden VertreterInnen der Zivilgesellschaft.

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CSR-Circle ab jetzt in der Labstelle.

 

In Österreich ist zudem die personelle und finanzielle Aufstockung zu gering, um eine schnelle Abwicklung der Ansuchen und genügend Deutschkurse anbieten zu können. Draxl: „Es ist wie bei einem U2 Konzert. Die Online-Anmeldung muss nach 10 Minuten schon wieder geschlossen werden, weil alle Kurse ausgebucht sind.“ Dieser Engpass soll sich ab Mai 2016 allerdings verbessern.

Deutschland hat sein Procedere in den letzten Monaten gestrafft, Schnittstellen verbessert, das Personal aufgestockt und einen Datenaustausch zwischen den Behörden eingerichtet. Bereits beim Asylansuchen wird geklärt, ob eine hohe Wahrscheinlichkeit auf Asyl besteht. Wenn das zutrifft, wird ein Erstgespräch geführt, die Qualifikation erhoben und darauf aufbauend ein 6-monatiger Bildungsplan erstellt, der Deutschkurse, eine Werteschulung, und eine Beratung, was mit der vorhandenen Qualifizierung zu tun ist, enthält. Wenn die Menschen Asyl bekommen, sind sie in vielen Fällen bereits fähig, sich in den Arbeitsmarkt zu integrieren.
Der Bildungsgrad ist, je nach Herkunft, sehr unterschiedlich: Afghanen sind mehrheitlich alphabetisiert, viele von ihnen haben allerdings nie eine Schule besucht. Natürlich ist auch das System der Ausbildungsabschlüsse nicht mit dem österreichischen vergleichbar, die meisten Menschen bringen allerdings Arbeitserfahrung mit. Im Gegensatz dazu sind Syrer großteils gut ausgebildet, weil das Schulsystem an das französische angelehnt ist; es gab maturaähnliche Schulen und Universitäten. Das zeigt eine aktuelle Studie des AMS.

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Roswitha Reisinger vom Magazin businessart

 

Die demografische Entwicklung zeigt, dass die österreichische Bevölkerung in den nächsten Jahren altern wird, der Anteil der Menschen im erwerbsfähigen Alter zwischen 20 und 64 Jahren geht rasch zurück. Das wird unsere Sozialsysteme unter Druck bringen. „Unser Wohlstand steht auf dem Scheideweg“ erklärt Dr. Thomas Fent. Zuwanderer, die überwiegend im Alter zwischen 15 und 30 Jahren sind, können diese Entwicklung abfedern, wenn sie gut in den Arbeitsmarkt integriert werden. Die deutsche Bevölkerung ist älter und steht schon heute vor diesem Problem, was die Integration von Asylberechtigten einfacher macht. In Österreich soll die schwierige Phase am Arbeitsmarkt noch etwa fünf Jahre andauern. Derzeit machen Asylberechtigte ca. 10% der Arbeitssuchenden aus.

Als große Schwierigkeit wurde genannt, dass arbeitssuchende Flüchtlinge und Arbeitgeber nicht zusammen finden. Unsere herkömmlichen Methoden Jobs zu suchen bzw. Jobs auszuschreiben, sind bei Asylwerbern nur bedingt wirksam. Sie kennen unsere Prozesse nicht und kommen so oft nicht zu den entsprechenden Informationen. Magdas Hotel schreibt laut Geschäftsführerin Gabriele Sonnleitner immer wieder Jobs aus, erreicht aber nicht die richtigen Personen.

Es sollten neue Wege der Kommunikation entwickelt werden, neue Plattformen, die auch angenommen werden und die entsprechenden Zielgruppen erreichen. Gerry Foitik, Generalsekretär Rotes Kreuz wünscht sich eine eigene Gesellschaft, die Arbeitskräfte vermittelt. Sepp Schellhorn, Neos und Kambis Kohansal Vajargah von whatchado GmbH werden Videos in der Muttersprache von AsylantInnen drehen, um die 16 bis 18-Jährigen zu erreichen. Dominik Beron von refugeeswork.at vernetzt ganz unbürokratisch Asylwerber und Unternehmen. Flüchtlinge können sich mit ihren Fähigkeiten auf der Plattform präsentieren, Unternehmen ihre konkreten Angebote vorstellen. Für Unternehmen sind unbezahlte Praktika, zu denen auch Asylwerber schon berechtigt sind, eine einfache Möglichkeit der Talentsuche, aber auch ein ganz konkreter Beitrag an Integrationsarbeit. Die Flüchtlinge selbst bekommen Gelegenheit, rascher in unserer Gesellschaft Fuß zu fassen.

Lobby.16 kümmert sich um unbegleitete junge Flüchtlinge bis 21 Jahre. „Wir vermitteln sie in Lehrstellen, bereiten sie mit einem mehrmonatigen Training gut darauf vor und unterstützen sie bis zum Lehrabschluss“, erzählt Irmgard Kischko, Obfrau von lobby.16. Einer der Partner auf Unternehmensseite ist T-Mobile. Lehrlingsbeauftragte Alexandra Pattermann: „T-Mobile hat seit 2010 10% der Lehrstellen für Flüchtlinge reserviert. Sie werden fünf Monate  auf die Lehre vorbereitet und steigen dann in den Lehrberuf ein.“
Im Kuratorium Wiener Pensionisten-Wohnhäuser (KWP) leben seit September 2015 100 AsylwerberInnen mit alten und pflegebedürftigen Menschen unter einem Dach. Ursula Frey, Koordinatorin für Flüchtlingshilfe im KWP: „Wir fördern das Miteinander beider Gruppen – davon profitieren alle. Zum Beispiel gibt es eine Handarbeitsgruppe im Haus, wo sehr betagte BewohnerInnen syrischen Frauen das Stricken beibringen.“
Johannes Zimmerl, HR Leiter von Rewe Group International, hält ebenfalls ein Plädoyer fürs miteinander reden. Es sei so viel Falsch- und Fehlinformationen im Umlauf, das mache manipulierbar. „Ich wundere mich oft, was andere nicht wissen. Das liegt aber auch an mir und nicht nur an den anderen.“

Fotos: Martina Draper
Text: Roswitha Reisinger / businessart