Aufgewachsen ist Doris Waldhäusl in Wien. Schon im Alter von 8 Jahren begann ihre Verbundenheit zu Pferden und mit 14 begegnete Doris ihrem Lebenspferd Cindy. 1992 Abschluss Sozialpädagogik-Ausbildung, 1992-1999 als Sozialpädagogin/Reittherapeutin an der Hans Radl Schule Wien, 1994 Abschluss Reittherapie-Ausbildung, regelmäßige Meditationskurse bei Franz Jalics/Oberfranken, 1998 Gründung Steinbacherhof, 2018 Abschluss Pferde-Shiatsu-Ausbildung. Mit jeder Begegnung ein Stück zu mir gekommen.

Der Steinbacherhof liegt eingebettet in die sanften Hügel des Weinviertels direkt am Fuß des Naturparks Leiser Berge. Hier bieten Doris Waldhäusl und ihr kompetentes Team bereits seit 1998 in familiärem Ambiente und mit viel Herz pferdegestützte therapeutische und Selbsterfahrungs- Angebote für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Entspannen, Eintauchen in die Welt der Pferde und Lebensfreude tanken.

Was treibt Sie im Leben an?

Im Grund geht es mir zuallererst darum, dass das, was ich täglich tue, mich wirklich ausfüllt, mir Freude bereitet, ich mit ganzem Herzen dahinter stehen kann. Dazu kommt eine Liebe zu allem und allen, die nicht mit Rosinen im Kuchen gesegnet sind, was ihr Leben angeht – eine Leidenschaft für die AussenseiterInnen, die Anders-Seienden, die „mit einer Geschichte“ – bei Menschen wie auch bei Tieren, und eine große Neugierde auf andere Lebewesen und ihr Sein.

Wie ist es zum Steinbacherhof gekommen?

Der Steinbacherhof ist irgendwie die logische Konsequenz aus dem, was ich bin, was ich vorher erlebt und getan habe, was ich mir für mich und auch andere wünsche. Ich wollte einen Ort schaffen, an dem Tier und Mensch friedlich miteinander einfach sein können, an dem viel Erholung, Heilung alter oder neuer Wunden geschehen kann. Wo Natur, Tier und Mensch zurückfinden in eine Gemeinsamkeit, die alle wachsen lässt. Und dann ist da mein Seelenpferd Cindy, die Mitbegründerin des Hofes, die mich das Wesen der Pferde gelehrt hat und mir so viel über mich selbst beigebracht hat, dass ich irgendwann diese Möglichkeit auch anderen Menschen geben wollte.

Welche Grundidee verbirgt sich dahinter?

Ich versuche auf dem Hof eine Atmosphäre zu schaffen, die verbindet, was in unserer Gesellschaft üblicherweise gerne getrennt gesehen wird. Menschen als sie selbst wahrzunehmen, niemanden von seinen Defiziten her zu definieren, das Wort Inklusion nicht nur zu leben, sondern unnötig zu machen. Meine Pferdefamilie erfüllt hier eine ganz tragende Rolle, die ein bisserl schwer in Worte zu fassen ist. Pferde sind soziale Herdentiere, dabei aber auch Beute- und dadurch Fluchttiere. Sie sind Meister im Emotionslesen. Kleines Beispiel: die Herde grast verteilt in einem Tal – auf einer Seite kommt durch den Wald ein Rudel Wölfe geschlichen. Ein Pferd bemerkt das und wie durch Zauberhand, ohne offensichtliche Verständigung durch Körpersprache oder verbale Signale,  die ganze Herde beginnt sich in Sekundenschnelle zusammenzuziehen – so unauffällig wie möglich werden die Schwächeren in die Mitte genommen, die Starken bilden einen Außenring und die Wölfe müssen unverrichteter Dinge wieder abziehen. Und dass nur, weil alle Herdenmitglieder emotional verbunden sind und miteinander auf dieser Ebene kommunizieren. In ihrem Verständnis ist für das gute (Über-)leben der Herde Sicherheit und Balance ganz essenziell.

Das heißt, die Herde ist nur so sicher, wie jedes einzelne Mitglied und daraus wieder ergibt sich ein großes Feld an Sozialkompetenz, das Pferde über die Jahrhunderte in freier Wildbahn überleben hat lassen. Ist ein Herdenmitglied aus der Balance – emotional oder physisch – kümmern sich die anderen darum, dass sich das wieder ändert. Sie geben Impulse, die weiterhelfen – bieten Sozialkontakt mit Fellpflege, spielen, miteinander-Ruhen oder ähnlichem an. Geben auch mal einen schärferen Impuls, wenn sie Aggressionsverhalten oder Panik stoppen wollen oder achten auf einen Freund, der mit einem wehen Fuß zu kämpfen hat, damit er rasch wieder fit wird. Diese Impulse lernen meine Therapiepferde auch auf die Menschen zu übertragen, mit denen wir arbeiten. Zuallererst arbeiten wir gemeinsam daran, dass ein neues Pferd meine menschlichen Emotionen lesen lernt wie die eines Pferdes – also einordnen lernt, wie sich bei mir Trauer, Freude, Angst etc. anspürt. Ich lerne dabei, zu erkennen, wie genau das jeweilige Pferd auf meine Befindlichkeit reagiert, welche Körpersprache es zeigt und welchen Ausdruck es verwendet. Dadurch kann ich später, wenn wir gemeinsam mit fremden Menschen arbeiten, am Pferd ablesen, was im Menschen vorgeht. Das Grundthema, die Grundemotion wird rasch sichtbar gemacht. Dadurch beschleunigen wir den Prozess der Therapie und vereinfachen ihn zugleich, da es nicht unbedingt Worte braucht und ich in die Lage versetzt werde, die richtigen Impulse und Fragen aufzugeben, mit denen wir uns in Therapie und Selbsterfahrung auseinandersetzen.

Wie würden Sie den Steinbacherhof beschreiben? Was macht ihn so besonders?

Gute Frage, der Steinbacherhof ist bisserl ein Bild meines Wesens, denke ich. Es gibt viel Gelassenheit, Ruhe, Harmonie. viel Lebendigkeit und Lebensfreude. Es gibt Ecken, die chaotisch sind und doch voller Leben, es gibt immer genug zu tun und doch immer Zeit. Er wächst Schritt für Schritt, langsam, aber unaufhörlich. Er ist Heimat für viele, sehr offen und raumgebend, dabei zugleich ein sehr geschützter Ort, an dem ich einfach ich sein kann, zugleich aber auch herausgefordert bin, wirklich ich zu sein – meine Masken abzulegen, mich auf die Suche nach meinem Kern und Wesen zu machen. Alles ohne Druck oder Zwang, auf sehr natürliche Weise.

Was war vorher da, die Liebe zu den Pferden oder der Therapie-Gedanke?

Die Liebe zu den Tieren und Pflanzen hatte ich schon als ganz kleines Kind in mir, bin stundenlang irgendwelchen Schmetterlingen und Heuschrecken nachgegangen, weil ich unbedingt wollte, dass sie sich freiwillig auf meine Hand setzen, ohne dass ich sie fangen muss. Pferde waren dabei auch von der ersten Begegnung an besonders für mich, ihre wissenden Augen, ihr sanftes Wesen, ihre stolze Stärke – eine machtvolle Kombination für ein kleines Kind. Der therapeutische Aspekt ist allerdings auch recht früh dazugekommen, durch meine eigene Handbehinderung, die ich im Zusammensein mit den Pferden völlig vergessen konnte.

Was ist eigentlich das Besondere in der Arbeit mit Pferden?

Sie sehen dich, ganz und gar. Hinter alle Masken und Mauern, durch alle Muster hindurch spüren und erkennen sie mein darunter liegendes echtes Wesen und kommunizieren mit diesem Kern sehr viel lieber als mit den aufgesetzten Masken. Es gibt kein „so tun als ob“ in ihrer Gegenwart, da verlieren sie ganz schnell das Interesse und gehen. Sobald ich aber bereit bin, mich ihnen ganz als ich selbst zu nähern, wird die Kommunikation zum Zauber, suchen sie meine Gesellschaft und geben das, wovon sie spüren, dass ich es gerade brauche – eine Schulter zum Anlehnen, ein wildes Spiel, einen leisen Stupser… und plötzlich fühl ich mich besser, stärker, angekommen. Die Pferde sehen wie ich bin – und bleiben. Wir Menschen denken so oft, wir brauchen Masken, Veränderungen, sind nicht gut genug, nicht stark genug, nicht gescheit genug etc. in der Begegnung mit den Pferden lernen wir, dass gerade das, was wir wirklich sind, ganz tief drinnen, perfekt ist und liebenswert.

Warum sind Pferde so besonders geeignet für die heilpädagogische Arbeit und Therapie?

Sie sehen ohne zu werten. Sie bieten an ohne zu zwingen. Sie lassen uns sein und gerade dadurch haben wir die Möglichkeit uns selbst zu verändern – näher zu unserem eigentlichen Sein.

Was können wir Menschen von Pferden lernen?

Sich selbst zu sein. Sich zu erden. Zu sich zu stehen. Wachstum zuzulassen. Muster abzulegen. Sanft mit mir und meinen Schwächen zu sein, mich zu lieben wie ich bin und noch ganz unendlich viel mehr.

Kann jeder zu euch kommen?

Jede und jeder, die sich auf das Abenteuer dieser Begegnungen einlassen möchten.

Wo liegen für Sie und den Steinbacherhof die größten Herausforderungen?

Derzeit, also durch die Corona-Krise, im Navigieren durch das finanziell wieder extrem schwierige Jahr. Somit das Finden von neuen Möglichkeiten, wie wir arbeiten dürfen, die Suche nach neuen Unterstützer*nnen und das Auftreiben der notwendigen Ressourcen für unsere vierbeinige große Hoffamilie.

Was macht Sie persönlich aus?

Hui, ich bin sehr empathisch, begeistert im Tun, sehr emotional – ein aus-dem-Bauch-raus-Mensch. Ich mag ganze Sachen. Ich lieb mein Leben und das Leben an sich. Ich kann mich für einen Grashalm stundenlang begeistern. Ich habe fast immer Musik in mir. Ich suche öfter nach Lösungen als zu Grübeln – aber manchmal kann ich auch gut Grübeln. Da geh ich dann in den Stall, zum Misten in meinen ganz persönlichen Zen-Garten.

Welche Projekte liegen noch in der Schublade?

Träume sind unendlich 🙂 ein Gemeinschaftswohnprojekt, ein Permakulturgarten, ein Hofcafé, ein kleines feines Gästehaus, eine nachhaltige geniale kleine Produktionsstätte (für was auch immer – von Lederersatz bis Mode, von Tischlerei bis Keramikkunst, …).

Was würde der Welt abgehen, wenn es Sie nicht geben würde?

Oh, der Löwe in mir sagt: unvorstellbar! 🙂 aber im Ende geht’s gar nicht darum, ob ich da bin oder anderswo, Energie geht nicht verloren und wenn nicht hier wäre ich vielleicht ein Baum oder ein Moos oder eine Gelse. Gäb´s mich gar nicht wäre jemand anderer begeistert und liebevoll.

Wer sind Ihre wichtigsten Unterstützer?

Meine Tiere, die einfach immer da sind. Meine Familie und FreundInnen, die mich und alles hier mittragen. Mein Team, wobei sich das auch überschneidet mit den FreundInnen.

Wie starten Sie in den Tag? Gibt es „Rituale“ die Sie umsetzen?

Fast täglich meditiere ich nach dem Aufstehen, mal länger, mal kürzer, aber zumindest 10 Minuten. Dann Wasser trinken, Kaffee aufsetzen und eine erste Runde zu den Tieren.

Was braucht ein Tag, um perfekt zu sein?

Etwas Vertrautes, etwas Neues und eine gute Balance zwischen Tun und zur Ruhe kommen.

Haben Sie für unsere LeserInnen eine Buchempfehlung, einen Web-Tipp, einen Tipp für einen inspirierenden Platz, ….?

Gerade les ich mal wieder die Tintenherz-Trilogie von Cornelia Funke – eine wunderschöne Welt mit viel Leichtigkeit, Abenteuer und Philosophie. Und ein inspirierender Platz – die kleinen Seitenwege hier in den Leiserbergen, da finden sich hinter allen Kurven kleine Wunder.

Wen sollten wir noch für „way to passion“ interviewen?

Johanna und Jennifer Janz vom „Neugeist“ in Dörfles bei Ernstbrunn (veganes Café und Supermarkt und Workshops zu schamanischen und anderen Themen)Astrid und Willi Luger von „Culum NATURA“ in Ernstbrunn (Naturfrisör, Herstellung nachhaltig-biologischer Naturkosmetik, nachhaltiges Gästehaus)

 

Zu guter Letzt: Kurze Fragen – kurze Antworten!

Zick-Zack Lebenslauf oder geradlinige Karriere?
Geradlinig, aus dem Bauch heraus intuitiv Richtung gehalten.

Arbeitet bedeutet für mich …
… Wachsen, Verstehen, Weitergeben.

Leidenschaftlich gerne …
… lebe ich, leite ich meinen Hof mit allem, was das heißt, lese ich, lerne ich.

Lieblingsort zum konzentrierten Arbeiten?
Auf der Couch zwischen Katzen und Hunden; in der Natur.

Auf meinem Smartphone Home Screen ist zu sehen?
Keine Ahnung – am Laptop ist mein Lebenspferd Cindy 🙂

Um abends abzuschalten …
… lese ich, trinke Tee oder meditiere.