Jonas Dinger ist Development Lead beim Social Impact Award International und damit dort für die Weiterentwicklung des Programms verantwortlich. Dies bedeutet zum einen konstant an der programmatischen Weiterentwicklung (zusätzliche Bildungsformate u.ä.) des Social Impact Awards zu arbeiten, aber auch das internationale Wachstum voranzutreiben (derzeit ist Social Impact Award in 15 Ländern auf drei Kontinenten aktiv). Davor war Jonas zwei Jahre Leiter des Social Impact Award Österreichs und auch während seiner zwei Jahre als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Social Entrepreneurship Center der WU Wien, hat sich Jonas schon mit Social Entrepreneurship beschäftigt (u.a. Wirkungsanalyse des Social Impact Awards). Neben der akademischen Beschäftigung mit Social Entrepreneurship, arbeitete Jonas seit 2012 bei unterschiedlichen Umfeldorganisationen, wie bspw.: SEED – Promoting Entrepreneurship for Sustainable Development oder die GIZ (Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit). Jonas studierte im Bachelor Politikwissenschaft und Volkswirtschaftslehre an der LMU München sowie der Universität Vilnius und im Master Politikwissenschaft an der Universität Wien.
Was bedeutet die Corona Krise für dich ganz persönlich?
Da weiß ich gar nicht wo ich anfangen soll. Am Anfang muss ich sagen war die Corona-Krise für mich sehr weit weg und erst bei internationalen Reisen im Jänner ist mir das immer stärker bewusstgeworden. Das es Europa so direkt treffen wird, damit habe ich gar nicht gerecht. Jetzt gibt es natürlich direkte ganz persönliche Auswirkungen neben den gültigen Alltagsbeschränkungen, wie z.B. dass ich meine Großeltern häufiger anrufe als vorher. Interessanterweise machen die sich deutlich weniger Sorgen als ich… da weiß ich noch nicht so ganz was ich davon halten soll. Oder natürlich so Einschränkungen, wie dass ich meine geplante 30er Feier absagen musste oder man plötzlich erfährt, dass die Eltern einer Freundin an
COVID-19 erkrankt sind (inzwischen sind sie wieder gesundet).
Neben diesen konkreten Auswirkungen und Einschränkungen hat die Krise noch eine unfassbare gesellschaftliche Bedeutung. Und so komisch es vielleicht klingt, aber das überträgt sich schon auch auf mich persönlich. Das führt dann dazu, dass ich eine Nacht kaum schlafen konnte vor lauter Sorgen um alles und jeden und einem diffusen Unwohlseins Gefühl. Oder aber dieses ständig vor Live Tickern sitzen und an nichts Anderes mehr denken können. Dazu kommen all die moralischen Dilemmata in die man ständig versetzt wird: Ist es eigentlich okay, jetzt bei Willhaben etwas zu kaufen? Ist es okay, wenn ich Freunde zum gemeinsamen Radeln treffe (eh mit Abstand)? Dazu kommt noch bei jedem eigenen kleinen Hustenreiz der Gedanke: „Oho, habe ich jetzt Corona?“
Insgesamt kann ich das für mich noch nicht wirklich einordnen. Es fühlt sich alles an wie in einem schrägen Traum. Nur wacht man nie auf. Also obwohl ich jetzt viel gesagt habe, kann ich die Frage glaube nicht beantworten. Ich bin noch gänzlich unentschlossen was diese Krise für mich persönlich bedeutet.
Inwieweit beeinflusst die Krise Deinen Job?
Die Krise beeinflusst meinen Job durchaus, da wir vom Social Impact Award in allen unseren Ländern eine Vielzahl an Workshops und Events jedes Jahr organisieren und das ist heuer zum ersten Mal in unserer 11-jährigen Geschichte nicht mehr möglich. Wie bei allen, hat auch uns das in der Schnelligkeit überrascht, aber wir haben sofort reagiert. Wir haben uns an die Entwicklung von online Formaten gemacht und Partnerschaften mit anderen Organisationen gebildet, die zusätzliche online Angebote an unsere Teilnehmenden haben. Dazu kommt eine Vielzahl an weiteren, juristischen und technischen Maßnahmen. Des Weiteren haben wir mehrere Szenarien gebildet und durchgedacht um sehr schnell auf weitere Entwicklungen reagieren zu können.
Die ersten Wochen waren sehr, sehr intensiv. Dazu kommt noch, dass online Meetings und Absprachen deutlich länger dauern und gleichzeitig nicht so lange durchzuhalten sind. Inzwischen hat es sich aber stabilisiert und wir waren für Homeoffice und derlei bereits vorher top vorbereitet. Langfristig stellt sich natürlich die Frage wie es mit der Gesamtwirtschaftlichen Lage aussehen wird. Wir sind ja in sehr vielen Ländern aktiv, die bereits unter „normalen“ Umständen sehr große und viele Schwierigkeiten haben. Wie sich die Krise dort niederschlagen wird, ist im Moment noch gar nicht einzuschätzen. Das wird allerdings auf jeden Fall Auswirkungen haben auf unser internationales Wachstum.
Was vermisst Du gerade besonders?
Fast alles! Nein im Ernst, ich vermisse es unfassbar meine Freunde, Familie und Bekannten nicht mehr treffen zu können. Klar online geht viel, aber ich bin schon beim Telefonieren (außerhalb des beruflichen Kontextes) nicht gut…
Wie gestaltest Du Deinen Tag?
Im Endeffekt wie jeden anderen vor der Krise auch. Ich habe mir einen Homeoffice Arbeitsplatz eingerichtet, stehe in der Früh auf und nach einer Tasse Kaffee beginne ich zu arbeiten. Leider fällt mein 20 min Spaziergang zur Arbeit weg, den vermisse ich auch sehr. Abends wird gekocht und wir spielen zurzeit sehr viel Siedler von Catan. ?
Ich habe zwischendrin mal so Sachen versucht wie mittags Sport machen oder ein Mittagsschläfchen, aber das ist alles nichts für mich. Das wirft mich so aus meinem Rhythmus, danach kann ich nicht mehr produktiv sein.
Wie wird das Leben nach Corona für Dich ausschauen?
Für mich persönlich hoffe ich, dass im Alltag relativ viel wieder so wird wie vorher und ich so viele Leute treffen kann wie und wo ich möchte. Generell habe ich aber doch die große Hoffnung, dass wir als Gesellschaft diese Krise nutzen. Jede Krise, gerade solch eine radikale, öffnete ja immer auch ein großes „Window of Opportunity“. Nach der Finanzkrise haben wir diese Gestaltungsmöglichkeit verspielt und ich hoffe, dass das diesmal nicht passiert. Wir können unser Wirtschaftsleben so umgestalten, dass es tatsächlich für die Menschen da ist. Strukturen in unserem Gesundheits- und Sozialsystem wieder stärker an den menschlichen als an wirtschaftlichen Bedürfnissen ausrichten. Themen wie unsere Abhängigkeit von gering bezahlten Saisonarbeitern aus dem Ausland diskutieren. Den Klimawandel effektiv bekämpfen und auch diese Kurve verkleinern und abflachen. Die Sorge um andere Mitmenschen wird sich hoffentlich auch danach noch zeigen und dazu führen, dass wir niemanden mehr bewusst zurücklassen, sondern auch die Schwächsten in unserer Gesellschaft unterstützen.
Ich glaube es kann sich in zwei sehr gegensätzliche Richtungen entwickeln. Einerseits in eine Richtung, in der wir (als Gesellschaft) uns wieder stärker auf das menschliche Element besinnen und die gegenseitige Fürsorge auch in unserem Wirtschafts- und gesellschaftlichen Leben wieder stärker gewichten. Auf der anderen Seite kann die Krise natürlich auch zu stark reaktionärem, autoritärem Handeln der Regierungen und der Eliten führen. Teilweise ist das ja durchaus auch schon sichtbar, beispielsweise in Ungarn. Die Digitalisierung ist glaube ein Feld in dem sich das gut zeigt. Hier wird klar, wie viel eigentlich remote gemacht werden kann und was für Möglichkeiten das auch eröffnet. Aber die Anfälligkeit für autoritäre Horrorszenarien wird ebenfalls sehr deutlich, wie zum Beispiel an den Bedenken rund um die App Zoom oder aber rund um eine verpflichtende Tracking-App)Ich hoffe und versuche mich auch dafür einzusetzen, dass es in die progressive Richtung geht.
Kannst Du anderen mit Deiner Expertise helfen?
Ich helfe gerne allen, die das Gefühl haben ich könnten Ihnen helfen. Gerade in der aktuellen Zeit ist das glaube ich aber gar nicht nur mit einer speziellen Expertise möglich. Die tollen Zettel in den Hauseingängen mit Hilfsangeboten sind dafür ein großartiges Beispiel. Das wichtigste ist im Moment glaube ich das gegenseitige Unterstützen und ein solidarisches Miteinander.
Ein persönlicher Tipp.
Mir hilft es, mir immer wieder die Chancen, die in der aktuellen Situation stecken, ins Gedächtnis zu rufen. Und dann fürs persönliche Wohlbefinden: Raus in die Natur gehen. ?
Über den Social Impact Award:
Was 2009 als Studierendenwettbewerb der WU Wien begann, hat sich inzwischen zur weltweiten größten Community für Social Entrepreneurs unter 30 Jahren entwickelt. Der Social Impact Award unterstützt und begleitet angehende SozialunternehmerInnen bei der Entwicklung und Umsetzung eigener neuartiger Ideen, und Projekte zur Überwindung der wichtigsten gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit. Dazu setzt der Social Impact Award in 15 Ländern in Europa, Afrika und Asien niederschwellige und interaktive Bildungs- und Inkubationsprogramme um. Im Fokus stehen dabei insbesondere die Inspiration zum eigenen Tun, die Vermittlung sozialunternehmerischer Modelle und Werkzeuge sowie die konkrete Förderung der vielversprechendsten Ideen und Teams Seit 2009 wurden durch den SIA, der jährlich ca. 10.000 Programm-TeilnehmerInnen betreut, mehr als 300 Sozialunternehmen mit dem Social Impact Award ausgezeichnet. So konnten bereits hunderte wirkungsvolle Sozialunternehmen im In- und Ausland entstehen und tausende junge Menschen von Social Entrepreneurship begeistern werden.