Manuel Bornbaum & Florian Hofer, zwei gebürtige Oberösterreicher hat es zum Studium nach Wien verschlagen hat. Manuel hat sich für Agrarwissenschaften an der BOKU entschieden und Florian für Wirtschafts-ingenieurwesen und Maschinenbau an der TU Wien. Beide verbindet eine langjährige Freundschaft und die gemeinsame Leidenschaft für Musik und gutes Essen. Oft haben sie bei gemeinsamen Abendessen über die Herkunft und Produktionsweise verschiedener Lebensmittel diskutiert. Sie haben sich Fragen gestellt. Was kann oder soll man einkaufen und wo? Welchen Einfluss hat man als KonsumentIn? Was kann man selber machen?

Und darin sind sich beide einig.
– Lebensmittel sollen möglichst regional unter Einhaltung ökologischer und ethischer Aspekte produziert werden.
– Der/Die KonsumentIn entscheidet selbst was und wie Produziert wird, durch die erzeugte Nachfrage.
– Durch Einkauf direkt beim Produzenten werden diese am besten unterstützt.
– Jede/Jeder hat die Möglichkeit, wenn auch nur im kleinen Rahmen, etwas zu bewirken.

Hut & Stiel steht für StadtLandwirtschaft, unter Verwendung lokal vorhandener Ressourcen und umweltschonender Prozesse. Kern des Projektes ist die Zucht von Speisepilzen auf Kaffeesud – ein Abfallprodukt mit großem Potenzial. Der Kaffeesud von Wiener Kaffeehäusern, Restaurants, Hotels und Pensionistenheimen wird eingesammelt und in einem Altbaukeller im 20. Bezirk weiterverarbeitet. Die frisch geernteten Pilze werden direkt mit einem Lastenrad ausgeliefert bzw. auf Märkten verkauft. Kurze Transportwege garantieren höchste Qualität und Frische. Am Ende des Prozesses wird das verwendete Pilzsubstrat kompostiert und somit zu Dünger verarbeitet. Dadurch schließt sich der Kreislauf und Abfall wird vermieden.

Was treibt Euch an?

Unsere Ideale stehen an oberster Stelle unseres Handelns. Wir möchten:

• ressourcenschonende Wege gehen und Kreisläufe schließen
• gute, gesunde Nahrungsmittel herstellen
• zeigen, dass Abfall weit mehr ist als Müll
• in den Köpfen der Menschen etwas bewegen und sie motivieren selbst aktiv zu werden

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Welche Bedeutung haben Lebensmittel für Euch?

Lebensmittel sind für uns mehr als ein Füllstoff. Neben Geschmack und Genuss liefern sie uns auch alle wichtigen Nährstoffe. Bewusste Ernährung ist für uns sehr wichtig.

Wann habt ihr die Liebe für Pilze entdeckt?

Die liebe für Pilze allgemein kam eigentlich erst durch das Projekt. Davor haben wir bis auf die gängigen Pilzsorten (Champignon, Steinpilz, Eierschwammerl, etc.) nicht wirklich viel mit Schwammerl am Hut.
Als wir uns näher mit dem Thema befasst haben wurde aber schnell klar was für ein unglaubliches Potenzial in ihnen steckt und wie wichtig sie für das gesamte Ökosystem sind. Sie sind in der Zubereitung vielseitig einsetzbar und wir können auch nach nun fast zwei Jahren immer noch nicht genug von ihnen bekommen.

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Warum gerade Pilze?

Pilze sind in der Lage die Nährstoffe die im Kaffee stecken für ihren Stoffwechsel zu nutzen. Wir können mit ihrer Hilfe ein Abfallprodukt recyceln und damit ein qualitativ hochwertiges und gesundes Lebensmittel regional zu erzeugen.

Welchen Stellenwert nehmen Lebensmittel in Eurem Leben ein?

Einen sehr hohen. Jeder Einkauf ist auch ein Stimmzettel welche Art der Lebensmittelproduktion und des Konsums man haben will.

Was verbindet ihr mit gutem Essen?

Geschmack, Genuss und im besten Fall auch gute Gesellschaft.

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Welch Rolle spielt Nachhaltigkeit bei Euch?

Nachhaltigkeit ist ein fundamentaler Aspekt in unserem Projekt. Wir versuchen alles was wir tun so nachhaltig wie möglich zu machen. Dabei wollen wir so wenig CO2-Emissionen wie möglich erzeugen, darum liefern wir unsere Pilze mit dem Lastenrad aus. So wenig Ressourcen wie möglich verbrauchen bzw. vorhandene Ressourcen zu nützen und Kreisläufe schließen. In der Natur gibt es keinen Abfall, das machen wir uns zum Vorbild. Wir wollen in der Umsetzung möglichst konsequent sein und alle Bereiche abdecken. Deshalb ist es uns auch wichtig als eine Art soziale Komponente auch Bewusstseinsbildung zu betreiben. Wir bieten Workshops und Führungen an um den Leuten das Thema Pilzzucht näher zu bringen und sie hinsichtlich Resourcenverschwendung, Lebensmittelproduktion und Konsumverhalten zu sensibilisieren.

Was war früher da, die Idee mit Pilzen etwas zu machen oder einfach die Liebe zum Unternehmertum?

Die Idee ist einem Universitätsübergreifenden Seminar zum Thema Entrepreneurship entsprungen. Also war wohl das Interesse am Unternehmertum zuerst. Allerdings war von Beginn an klar das die Idee entscheidend ist ob das Gründen eines eigenen Unternehmens in Frage kommt.

Wo seht Ihr Euch den nächsten Jahren? Gibt´s Expansionspläne?

Wir halten gerade unsere Augen nach möglichen neuen Standorten offen. Wir wollen möglichst viel Kaffeesud vor der Entsorgung retten und stoßen dabei mit unserem derzeitigen Standort an die Kapazitätsgrenzen (600kg-Kaffeesatz/Woche).

Was sind denn so die größten Hürden die es zu bezwingen gilt?

Räumliche Gegebenheiten und Lage: Möglichst große Flächen idealerweise in Zentrumsnähe sind schwer zu finden. Es sind aber auch Standorte etwas außerhalb denkbar. Technische Umsetzung: Belüftung, Klimatisierung, Misch- und Abfüllanlagen zur Substratherstellung, innerbetriebliche Logistik, Finanzierung, Erschließen neuer Kaffeequellen und Logistik, …

Seid ihr neugierige Menschen? Wenn ja, wie zeigt sich das konkret?

Ich würde schon sagen, dass wir neugierige sind. Wir interessieren uns für viele verschiedene Themen schauen uns alles an und wollen vieles selbst ausprobieren. Meistens haben wir gleich mehrere Sachen die wir parallel starten. Da ist es sogar manchmal schwierig den Überblick und den Fokus fürs Wesentliche nicht zu verlieren.

Was bedeutet Glück für Euch?

Puh, das ist wahrscheinlich die schwierigste Frage im ganzen Fragebogen. Wir haben auf jeden Fall Glück eine Arbeit zu haben hinter der wir zu 100% stehen, wo man gerne hingeht und dabei auch noch Zeit mit lieben Menschen verbringen kann. Selbstverwirklichung und wertvolle zwischenmenschliche Beziehungen in einem sozusagen.

Was würde der Welt abgehen, wenn es euch nicht geben würde?

Zumindest zwei Schwammerl 😉

Worauf verzichtest Ihr, um Eure Leidenschaft ausleben zu können?

Hauptsächlich auf Geld und Freizeit. Wir verbringen viel Zeit im Keller und verdienen dabei relativ wenig. Das Privatleben kommt dabei schnell zu kurz.

Ist Wien ein guter Boden für Start Ups?

Schwer zu sagen. Wir sind ein relativ untypisches Start-up im Bereich Landwirtschaft. Mit unserem Konzept sind wir in vielen Bereichen ein Sonderfall und es ist oft schwierig klare Auskünfte zu speziellen Fragestellungen zu bekommen. Uns war vor Projektstart nicht klar ob wir das überhaupt machen dürfen was wir vorhatten und es gab viele Fragezeichen. Wir haben uns davon aber nicht abschrecken lassen und haben losgelegt, weil wir glauben, dass man immer Lösungen finden kann wie es dann klappt.

Was braucht´s an Unterstützung um zu einem echten und vielfältigen Start Up Land zu kommen?

In unserem Fall wäre eine Art Wegweiser recht hilfreich gewesen. Wir sind zu verschiedenen Magistraten, Beratungsstellen usw. gelaufen und sind dann meist ohne klare Auskunft weiter verwiesen worden.

Welchen Stellenwert nimmt das Themenfeld Entrepreneurship bei Euch ein?

Wenn man mit einer Situation unzufrieden ist kann man sie entweder so hinnehmen oder selbst etwas dafür tun damit es besser wird. In unserem Fall war es die Ressourcenverschwendung und die nicht nachhaltige Lebensmittelproduktion die uns gestört haben. Da wir selbst jetzt sozusagen Unternehmensgründer sind hat dem ganzen Thema Entrepreneurship ein wenig den Schrecken genommen. Wenn man von einer Idee überzeugt ist sollte man sich daran wagen sie umzusetzen. Das Risiko damit zu scheitern ist wahrscheinlich nicht so groß wie sich 20-30 Jahre später fragen zu müssen „was wäre, wenn ich mich damals getraut hätte?“

Was ist eigentlich das Schönste bei Eurer Arbeit?

Die schönste Arbeit ist für mich das Schwammerl ernten. Da sieht man direkt wofür man sich abmüht.
Außerdem ist das am Markt stehen bzw. das Ausliefern der Pilze immer eine gute Abwechslung und man bekommt direkt die Wertschätzung für das Produkt zurück.

Wer sind Eure wichtigsten und stärksten Unterstützer?

Unsere Freunde und Familien haben uns während der intensiven Startphase immer unterstützt. Neben moralischen Beistand waren sie auch tatkräftig bei den Renovierungsarbeiten dabei.

Wer baut Euch auf, wenn es einmal nicht so klappt?

Es gibt immer Aufs und Abs. Wir versuchen uns immer so gut es geht gegenseitig aufzumuntern, wenn mal einer nicht gut drauf ist. Unsere Freundschaft ist da sicher kein Nachteil.

Wohin wird Euch diese Arbeit noch bringen? Gibt es noch geheime Projekte?

Es gibt noch einige Projekte an denen wir gerade intensiv arbeiten. Geheimnisse gibt es bei uns eigentlich nicht. Im Frühjahr werden wir etwa unseren Garten zu einem Pilzgarten machen. Außerdem wollen wir die Pilzzucht für zu Hause ermöglichen und auch unseren Pilz-Kompost anbieten. Langweilig wird es auf jeden Fall nicht. Wohin es genau gehen wird ist jedoch schwer abzuschätzen. Jede Woche ist anders und oft kommt es anders als gedacht.

Was sagen eigentlich Eure Freunde, Euer Umfeld, Eure Familien zu diesem Engagement?

Anfangs waren einige eher skeptisch, aber mittlerweile sind eigentlich alle positiv Überrascht was wir in den letzten Jahren zustande gebracht haben.

Habt Ihr einen Wunsch?

Dass das Bewusstsein für Ressourcen und Lebensmittel steigt.

Habt Ihr für unsere LeserInnen eine Buchempfehlung, einen Web Tipp, einen Tipp für einen inspirierenden Platz?

The Blue Economy – Gunther Pauli
Cradle to Cradle – M. Braungart / W. McDonough