Martin Kappel ist 28 Jahre alt, er ist auf einem Bio-Bauernhof in Graz Umgebung aufgewachsen, den er schon bald mit seiner Frau übernehmen wird. Nach der Matura an der HBLFA Raumberg-Gumpenstein hat Martin an der BOKU Agrarwissenschaften und Agrar- und Ernährungswirtschaft studiert und dazwischen vier Jahre bei der Landjugend Steiermark gearbeitet. Im März 2020 hat er sein Studium auf der BOKU in Wien abgeschlossen, seitdem arbeitet er vor allem am Betrieb zuhause und engagiert sich bei bei der Bio Austria Next Generation, als Gemeinderat und als Vortragender beim landwirtschaftlichen Facharbeiterkurs. Und darüber hinaus arbeitet er seit 3 Jahren an den eigenen Hofgeschichten. Mittlerweile gibt’s schon die 34. Hofgeschichte. Nice!
Was treibt Dich im Leben an?
Die Motivation, einen sinnvollen Beitrag zu einer funktionierenden Gesellschaft zu leisten und eine ganzheitliche Lebensweise im Einklang mit der Natur zu führen.
Wie ist es zu den Hofgeschichten gekommen?
Die Idee dazu hatte meine Frau. Da es wenige Blogs über die Landwirtschaft gibt und wir gerne über unseren Hof erzählen, haben wir 2017 die Hofgeschichten unter Hofgeschichten und auf Facebook und Instagram gestartet. Unser Ziel war und ist es, die Menschen am täglichen Leben auf einem Bauernhof teilhaben zu lassen und ehrlich zu zeigen, wie Landwirtschaft und Lebensmittelerzeugung heutzutage funktionieren.
Wo steht Euer Biohof gerade?
Meine Eltern bewirtschaften den Hof im Vollerwerb trotz relativ kleiner Struktur. Wir können da in der nächsten Generation sehr gut anknüpfen. Unser Hof wird bereits seit über 50 Jahren biologisch bewirtschaftet – diesen Weg möchten wir auf jeden Fall fortsetzen.
Zufrieden mit den Dingen die in den letzten Jahren bei Euch so entstanden sind?
Ja schon. Ich denke, wenn man motiviert und mit Herzblut bei der Sache ist, kann man auch zufrieden sein, mit dem, was so geschieht.
Was hast Du mit Eurem Hof für die nächste Zeit geplant?
Kurzfristig eine Vergrößerung unseres Hühnerbestands, damit wir unseren Hofladen mit eigenen Eiern versorgen können. Ansonsten steht bei uns in den nächsten Jahren die Übergabe an – das ist auf jedem Hof eine Herausforderung. Da müssen wir als Junge dann auch erst unseren Weg finden.
Gibt es Dinge die Dir so richtig Sorgen machen?
Zukunftsängste habe ich keine, aber wie sich das mit dem Klimawandel in meinem Leben (und dem meiner kleinen Tochter) noch entwickelt, ist schon als ständige Frage in meinem Kopf.
Was sind so die täglichen Herausforderungen?
Alle Projekte, die ich habe, die Arbeit am Betrieb, die Familie und den persönlichen Ausgleich in einer ausgewogenen Balance zu halten.
Was hat Corona mit euch, was hat Corona mit unserer Ernährung gemacht?
Auf jeden Fall wurden Schwachpunkte in unserer Gesellschaft, wie die ausgelagerten Produktionen, schonungslos aufgedeckt. In der Ernährung hat sich zumindest kurzfristig ein höheres Bewusstsein etabliert, zum Beispiel haben wir zu Beginn der Coronakrise ca. 40 % unserer Milch mehr direktvermarket. Ob sich langfristig etwas ändert, wird sich noch weisen.
Wie kann man als Konsument das Lebensmittelsystem ändern und wie kann durch die Direktvermarktung landwirtschaftliche Betriebe gesichert werden? Was ist zu tun?
Darüber habe ich eine eigene Hofgeschichte verfasst, also gerne hier nachlesen. In kurzen Stichworten: Regionaler und saisonaler einkaufen, im Idealfall bio. Und am besten direkt beim Bauern – je mehr Wege von der Produktion bis zum Verkauf, desto weniger kommt beim Bauern an. Im Supermarkt weniger auf Aktionen schauen und wenn finanziell möglich, höherwertige Produkte kaufen. Und natürlich selbst Lebensmittel erzeugen, z.B. Gemüse im eigenen Garten und Eier von einigen Hühnern.
Du beobachtest die Entwicklungen rund um Nachhaltigkeit ja sehr genau. Wo stehen wir da jetzt?
Zumindest hat sich das Thema gut in der Gesellschaft etabliert. Trotzdem: ob Plastikmüll oder Treibhausgase – an der Gesamtmenge ändert sich noch nicht wirklich etwas. Man muss sich nur vor Augen halten: trotz der massiven Einschränkungen durch die Coronakrise sinken die Treibhausgasemissionen heuer in Österreich und weltweit nur um ca. 10 %, die CO2-Konzentration in der Atmosphäre steigt dadurch trotzdem weiter.
Wer ist da eigentlich besonders gefordert. Die Politik, Wissenschaft, Unternehmer, Konsument …?
Im Endeffekt braucht es schon eine Änderung der politischen Rahmenbedingungen. Solange Unternehmen und Konsumenten freiwillig agieren, wird sich nur wenig (und das viel zu langsam) ändern.
Drei Dinge die im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit sofort passieren müssen.
Eine Bepreisung von CO2, damit klimaschädliches Verhalten teurer wird.
Eine Forcierung der natürlichen CO2-Speicherung durch Humus im Boden und dem Pflanzen von Bäumen.
Den Menschen die Wichtigkeit dieser Maßnahmen vermitteln, damit sie den Weg mitgehen.
Drei positive Beispiele im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit.
Die ÖBB, die ich wirklich einen coolen Mobilitätsdienstleister finde und gerne nutze.
Alle Bio-Bäuerinnen und Bio-Bauern.
Waldviertler Schuhe, weil ich finde, dass sie super Schuhe mit einem coolen Konzept verknüpfen (ich habe selbst auch zwei Paar).
Was macht Dich persönlich aus?
Meine verbindende und hilfsbereite Art, dass ich komplizierte Dinge einfach erklären kann und meine Vielseitigkeit.
Was würde der Welt abgehen, wenn es Dich nicht geben würde?
Das sollen Menschen beantworten, die viel mit mir zu tun haben.
Wie startest Du in den Tag? Gibt es „Rituale“ die Du umsetzt?
Also derzeit wacht meine Tochter täglich ca. um 5 Uhr auf und dann ist der erste Weg zum Wickeltisch. ;-). Und zwei Mal in der Woche startet mein Tag derzeit um 5 Uhr im Kuhstall.
Ansonsten, wenn ich Zeit habe, am besten mit einer Zeitung – unter der Woche digital, am Wochenende analog.
Was braucht ein Tag, um perfekt zu sein?
Einige gute Gespräche, eine Sporteinheit und Zeit mit meiner Familie.
Hast Du für unsere LeserInnen eine Buchempfehlung, einen Web-Tipp, einen Tipp für einen inspirierenden Platz, …?
Als Buch empfehle ich gerne „Ein guter Tag hat 100 Punkte“ von Thomas Weber, da es eine nachhaltige Lebensweise mit guten Beispielen beschreibt. Als Website natürlich unseren Blog
hofgeschichten
Die „Frau Freudig“ auf Instagram, die als Quereinsteigerin auf einem Biohof in Kärnten lebt, würde ich spannend finden.
Zu guter Letzt: Kurze Fragen – kurze Antworten!
Zick-Zack Lebenslauf oder geradlinige Karriere?
Eher Zick-Zack-Lebenslauf, aber es hat rückblickend noch immer super gepasst und Chancen, die sich ergeben, soll man nutzen.
Arbeitet bedeutet für mich …
… das zu tun, was einen erfüllt und sinnstiftend ist.
Leidenschaftlich gerne …
… mache ich Sport. Ich komme zwar derzeit wenig dazu, aber Fußball, Rad fahren und laufen sind meine Favoriten.
Lieblingsort zum konzentrierten Arbeiten?
In Ruhe an meinem Schreibtisch zuhause.
Auf meinem Smartphone Home Screen ist zu sehen …?
Das voreingestellte Bild. Ich stell da eigentlich nie ein persönliches Foto ein.
Um abends abzuschalten …
… sitze ich mit meiner Frau auf der Couch, surfe am Handy und lies die Zeitung.