Thomas Weber lebt und arbeitet in Wien als Journalist und Herausgeber von „The Gap“ (Magazin für Glamour und Diskurs) und „Biorama“ (Magazin für nachhaltigen Lebensstil). Als Herausgeber von BIORAMA, dem wichtigsten Magazin für nachhaltigen Lebensstil und mit seinen beiden Büchern „Ein guter Tag hat 100 Punkte“ und „100 Punkte Tag für Tag“ hat er sich ganz der Nachhaltigkeit verschrieben. Er liebt es unbequeme Fragen zu stellen, zettelt gern Diskussionen und recherchiert leidenschaftlich gern. Thomas kocht gern für seine Kinder, spielt mit ihnen oder liest ihnen vor und er gönnt sich immer wieder einmal ein komplett Social-Media-freies Wochenende.
Was treibt Dich im Leben an?
Klingt vielleicht langweilig, ist aber so: vor allem die Neugier. Ich weiß also, dass ich mich bis an mein Lebensende wohl eher nicht fadisieren werde.
Wie und wann hast Du den Journalismus für Dich entdeckt?
Ich habe mit 15 am Gymnasium begonnen für die Schülerzeitung „Papyrus“ zu schreiben und weil es niemand anderer gemacht hat und es halt notwendig war gleich auch Anzeigen zu verkaufen. Gleichzeitig habe ich mit einem anderen Klassenkollegen die Gestaltung einer zweiwöchentlichen Jugendseite in der NÖN übernommen – mit 50 Schilling pro Seite, das hat damals sogar verhältnismäßig gutes Geld bedeutet – und regelmäßig für das „Libro Journal“ über neue Musik geschrieben.
Weil die Schülerzeitung damals fast jedes Jahr einen Preis des Niederösterreichischen Landesjugendreferats gewonnen hat, wurde das von der Schule auch sehr gefördert. Das war recht praktisch. Ich musste nie stangeln: Es hat gereicht, den Lehrern zu sagen, dass es da ein wichtiges Interview zu führen gäbe oder dass wir noch die Geschäfte abklappern müssten, um zur Finanzierung des Drucks Anzeigen zu verkaufen – und diese Masche natürlich nicht überzustrapazieren – und wir konnten einfach so die Schule verlassen. Die Matura haben wir trotzdem alle irgendwie geschafft.
Was war vorher, Journalismus oder dein Engagement rund um Nachhaltigkeit?
Ich wollte bis kurz zur meiner Matura eigentlich Tierarzt werden, hatte dann aber weder Lust, bis ich 30 bin zu studieren, noch wollte ich in einem Schlachthaus Schweinehälften untersuchen oder in einer Kleintierpraxis Meerschweinchen die eingewachsenen Krallen balsamieren. Also habe ich ein Doppelstudium und die Fächerkombination Publizistik, Anglistik, Germanistik und Biologie inskribiert – das war natürlich vollkommene Selbstüberschätzung, vor allem weil ich nebenbei für FM4 „Sommerjob-Geschichten aus der Redaktion“, Musik-Fanzines und bald auch für „News“ und „Format“ gearbeitet habe. Dass sich das nicht ausgehen konnte, ist rückblickend klar. Auch wenn ich nicht glaube, dass ich damals mit 17, 18 oder Anfang 20 das Wort Nachhaltigkeit wirklich verwendet hätte. Aber Natur und Ökologie waren für mich immer Thema. Auch wenn ich das ein paar Jahre hintangestellt habe – wohl weil’s in der Peer Group nicht cool war –, präsent war es wohl immer. Ich bin in einem Garten aufgewachsen, mit den „Umweltspürnasen“ , der Jagdzeitschrift meines Vaters. Ich habe endlose Nachmittage im Wald und in Schottergruben verbracht, ich war bei den Pfadfindern, bin ein doppeltes Lehrerkind und habe ganze Sommer auf den Bauernhöfen meiner Omas im Waldviertel verbracht, direkt am teils verwilderten Truppenübungsplatz in Allentsteig, wo es seit diesem Sommer wieder ein österreichisches Wolfsrudel gibt. Wenn’s geregnet hat und ich mit dem Bauernkalender durch war, habe ich bei meiner Oma halt den „Bauernbündler“ gelesen. Die Kirchenzeitung war mir schon damals zu fad ;-). All das war prägend. Auch später war ich mit Freunden in Allentsteig am See zelten und auf Musikfestivals. Ich war zwar wegen der Musik dort, fand aber auch cool, dass das Festival damals „Groamat“ hieß, ein Dialektwort für den zweiten Heuschnitt des Jahres.
Welche Rolle spielt Journalismus bzw. Medien beim Thema Nachhaltigkeit?
Gute Frage. Dass einschlägige Themen nicht in den Medien vorkämen, kann man ja nicht behaupten. Der Klimawandel oder das Themen Ökostrom z.B. ist omnipräsent. Oft sogar in beeindruckender Tiefe. Wäre die Medienblase nicht immer noch so old school und ignorant – die umfassenden FM4-Features von Chris Cummins müssten ständig Preise gewinnen. Die Medien sind sicher nicht das Hauptproblem. Eher der Schweinehund und, dass viele Zeitgenossen im Alltag – weil und das gehetzte Leben ja letztlich alle irgendwie überfordert – ob der Komplexität kapitulieren. Beim Thema Bio aber z.B. ist es schon so, dass nur ganz wenige Journalistenkolleginnen und -kollegen wirklich Ahnung von der Materie haben. Und Bio ist im Medienmainstream meist nur dann Thema, wenn es entweder einen Skandal gibt oder ein Werbeumfeld für Ja! Natürlich oder Zurück zum Ursprung braucht. Auch wenn es die Ausnahme ist, aber ich musste schon Menschen, die für PR-Agenturen Bio-Produkte promoten, den USP der von ihnen angepriesenen Produkte erklären. Egal ob wir von klassischen Medien oder Individuen reden: Wichtig sind Vorbilder, die zeigen, wie es gehen könnte. Das ist auch unser journalistisches Credo bei Biorama: Nicht schreiben, was alles schlecht und Scheiße ist, sondern zeigen, wer was dagegen tut. Da geht’s nicht ums Schönreden, weil du das Problem natürlich immer miterzählst. Aber du wirst eher mitgerissen und inspiriert als dass du weinen möchtest. Heute nennt man diesen Zugang „Constructive News“. Als wir uns 2005 Biorama überlegt und konzipiert haben, da kannten zumindest wir diese Bezeichnung nicht.
Wie ist es eigentlich dazu gekommen deine Erfahrungen, Kenntnisse rund um Nachhaltigkeit in Bücher zu verpacken?
Ich wurde von Claudia Romeder vom Residenz Verlag gefragt. Ich hätte niemals gedacht, dass ich jemals sowas wie einen Ratgeber schreiben würde. Tja, jetzt sind’s sogar schon zwei Bücher. Und es macht immer noch riesengroßen Spaß. Im Frühjahrsprogramm stelle ich im Residenz Verlag die Buchreihe „Leben auf Sicht“ vor. Das Wort Nachhaltigkeit haben wir vermieden, aber natürlich geht es in der Reihe letztlich genau darum. Zwei Bücher erscheinen Anfang 2017, beide nicht von mir verfasst – ich bin Herausgeber der Reihe. An einem sehr aufwändigen Buch, das Anfang 2018 erscheinen soll, arbeiten bereits zwei Kolleginnen.
Bei dir spielen ja Lebensmittel eine sehr wichtige Rolle. Was macht ein gutes Lebensmittel für Dich aus?
Es muss schmecken, ganz banal. Außerdem möchte ich möglichst wissen, wo es herkommt, wie es produziert wird oder wie das Tier gehalten wurde. Je mehr man weiß und auch je geschulter der Geschmack wird, desto wählerischer und anspruchsvoller wird man. Tierische Produkte aus Intensivtierhaltung versuche ich recht strikt zu vermeiden, von Bio bin ich sehr überzeugt. Der ethische Standpunkt ist mir auch wichtig. Manche Lebensmittel kaufe ich nicht, obwohl sie mir wahnsinnig gut schmecken würden. Ein Beispiel: Ich war diesen Sommer auf einer Rindfleisch-Blindverkostung der AMA. Köche würden sagen: Top-Ware aus aller Welt. Argentinien, Brasilien, USA, Irland, Österreich, aus Australien auch, glaube ich. Da waren Gastro-Kritiker dabei, insgesamt knapp 50 Personen und das Ergebnis war eindeutig: Das Fleisch aus den USA und aus Südamerika war das allerbeste, es wurde von allen als mit deutlichem Abstand am besten bewertet. Auch von mir. Also Fleisch aus Intensivmast aus dem Feedlot, mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit gemästet mit gentechnisch verändertem Soja, das auf Flächen kultiviert wurde, auf denen davor Regenwald gerodet wurde. Ich habe mir das auch im Anschluss genauestens von einem hauptberuflich mit Rindfleisch beschäftigtem Menschen erklären lassen. Ich weiß jetzt, dass dieser intensive Kraftfuttereinsatz nicht nur das Wachstum verändert, sondern dass er auch geschmacklich einen merkbaren Unterschied macht. Dennoch würde ich dieses Fleisch nicht kaufen. Feedlots halte ich für mindestens ebenso bedenklich wie den intensiven Kraftfuttereinsatz. Das Zeug, das in den Steakhäusern serviert wird, das esse ich aber nicht. Und in der österreichischen Gastronomie wird sehr viel günstiges Rindfleisch aus Rumänien angeboten. Das wurde auch blind mit verkostet und man muss sagen: Es war geschmacklich durchwegs mit Befriedigend bewertet. Ich habe mir im Sommer auch eine riesige Rinderfarm im Westen Rumäniens angeschaut. Mein Eindruck war, dass es den Tieren nicht schlecht ging – auch wenn doch auffällig viele Tiere schlampig enthornt waren. Ich würde dennoch vermeiden dieses Rindfleisch zu kaufen. Ich esse gerne Rindfleisch, gehöre aber ganz klar zur „Defending Beef“-Fraktion , bestehe aber darauf, dass wenig Kraftfutter zum Einsatz kommt und das Grünland in der Gegend sinnvoll genutzt wird. Ich bin zwar ein Genießer, aber schon recht konsequent. Nur bei Avocados werde ich hin und wieder schwach …
Du bist ja seit vielen Jahren ein intensiver und auch kritischer Beobachter der österreichischen Bio-Szene. Was sind denn für dich so die positiven Errungenschaften in Österreich? Und wo besteht Nachholbedarf?
Was es in Österreich bräuchte sind mehr Marken wie Sonnentor oder Zotter. Mit All I Need, Pona oder dem – nun ja – von Kelloggs gekauften Verival gibt es eh gute Ansätze. Die Produkte der österreichischen Bio-Bauern sind meistens eh sehr gut, aber oft hapert’s bei der Vermarktung. Um nicht zum austauschbaren Lieferanten zu werden, müssen die Bauern aber wirklich innovativ vermarkten. Es gibt zwar sehr positive Beispiele wie den Vetterhof oder Labonca. Aber da braucht es viel mehr. Angst vor Marketing ist fehl am Platz. Mit dem Bio-Ranking haben wir deshalb eine Übersicht geschaffen. Da wird sich in den nächsten Jahren noch viel tun. Hoffentlich auch in der Gastronomie. Dass die Bio-Austria und auch die AMA hier aktiv werden, finde ich gut. Anfangs war ich gegen die Herkunftskennzeichnung von Fleisch in Restaurants. Mittlerweile würde ich das gutheißen. Einfach weil die Konsumenten meist fälschlicherweise davon ausgehen, dass Fleisch aus Österreich verarbeitet wird. Was aber sehr selten der Fall ist. Die Bio-Bewegung sollte sich da stark machen.
Zwischendurch sei die Frage nach deiner Verbindung zu Musik erlaubt? Wie passt Musik mit Nachhaltigkeit zusammen?
Das werde ich immer wieder gefragt, weil für viele Menschen die Medien The Gap und Biorama im Kopf schwer zusammengehen. Für mich ist das ganz schlüssig. Aber erstens ist The Gap ja schon bald zehn Jahre kein Musikmagazin mehr. Bei uns dominieren Kultur im weitesten Sinne, Design, IT, Politik und Kreativwirtschaft. Die letzten Cover Stories widmeten sich der postfaktischen Gesellschaft, dem neuen Zirkus, der visuellen Identität von rechtsextremen Strömungen, dem Thema Wahlkampf im Netz. Musik ist für The Gap zwar immer noch wichtig, aber nicht dominant. Ich selbst schreibe schon lange nicht mehr über Musik. Nicht, dass ich nicht nach wie vor sehr viel Musik höre, auch neue Musik. Aber es gibt einfach Kolleginnen und Kollegen, die da wesentlich und wirklich viel viel besser Bescheid wissen. Dass ich mich beruflich nicht mehr dauernd mit der Sau beschäftigen muss, die gerade durchs Dorf getrieben wird, das empfinde ich als Befreiung. Da sehe ich Entwicklungen wie Social Entrepreneurship ehrlich gesagt als wichtiger. Und ich möchte mich endlich ins Thema „bedingungsloses Grundeinkommen“ einlesen und mir dazu eine fundierte Meinung bilden. Aber während ich diese Fragen beantworte, höre ich gerade „Remember Us to Life“, das neue Album von Regina Spektor. Da bin ich Fan.
Du setzt ja mit Biorama und The Gap sehr stark auf print. Warum das eigentlich?
Tu ich das? Beide Medien erscheinen regelmäßig in gedruckter Form, aber es gibt täglich Artikel, Interviews und Stories auf biorama und thegap. Wir veranstalten Events wie die Craft Bier Feste, sind hyperaktiv auf Facebook, Twitter und Instagram. Digitales lässt sich halt leider immer noch schwer kapitalisieren. Wir setzen auf Journalismus. Aber ja, ein gedrucktes Magazin ist schon immer noch besonders.
Wo siehst Du dich persönlich und mit deinem Business in den nächsten Jahren?
Ich versuche das was ich mache intensiv, gut und noch besser zu machen. Aber ich kann mir auch alles andere vorstellen. Nur in die Politik zu gehen schließe ich eher aus – auch wenn ich das in meinem neuen Buch im Kapitel „Werde Bürgermeisterin“ fordere und ich das immer wieder gefragt werde, ob mich das nicht reizen würde. Aber ich bin Medienmensch aus Überzeugung und hab auch schon Angebote aus der Parteipolitik abgelehnt. Ehrlich: Diese Branche ist mir in der Liga, die mich inhaltlich reizen würde, zu schnell. Zwei ehemalige Kollegen, die vom Journalismus mit vollem Einsatz in die Politik übergelaufen sind, einer zu den Grünen, einer zur ÖVP, sind in ihren frühen 30ern gestorben. Ich mache lieber mit Leidenschaft Medien und schau, dass auch ich selbst und meine Familie nicht zu kurz kommen.
Was sind denn so die größten Hürden, die es zu bezwingen gilt?
Machen wir uns nichts vor: Für die meisten Medienunternehmen in diesem Land geht es ums Überleben. Auch für die ganz Großen. Die Medienlandschaft wird in ein paar Jahren ganz anders aussehen, da bin ich mir sicher. Die Herausforderung ist dementsprechend klar: Aus dem Cashflow heraus Bestehendes weiterzuentwickeln und Neues auszuprobieren und aufzubauen. Das ist uns zuletzt zum Beispiel mit dem Craft Bier Fest, dem Stöpsel Festival für Eltern und Kinder oder unserer gleichnamigen Kinderbuch-Reihe ganz gut gelungen. Aber auch mit Yool Austria, einer Marketingagentur mit Fokus Nachhaltigkeit, die wir mit Hassaan Hakim gegründet haben, bereiten wir gerade einige interessente Projekte vor.
Bist Du ein neugieriger Mensch? Wenn ja, wie zeigt sich das konkret?
Ich muss mich permanent mäßigen und bewusst entscheiden, wofür ich mich aus Gründen des Zeitbudgets besser nicht interessiere. Aber ich muss nicht jeden Scheiß ausprobieren. Ich war dieses Frühjahr mit Freunden in einer Schlucht beim Canyoning unterwegs – ein tolles Erlebnis und für mich eine große Überwindung, weil vor Jahren ein für mich wichtiger Mensch dabei ertrunken ist. Canyoning würde ich wieder machen. Aber in eine Hochschaubahn werde ich nie einsteigen, Fallschirmsprünge oder Bungee Jumping – das brauche ich nicht.
Du bist ja ein sehr umtriebiger Mensch mit all den Dingen – beruflich und familiär – die du machst, wie gelingt es dir denn da die Balance zu finden bzw. auch zu halten?
Eine Binsenweisheit: Aber das Wichtigste war und ist es wohl, sich vom Gedanken zu verabschieden, alles selbst machen zu können. Ich habe zum Glück ziemlich super Kolleginnen und Kollegen. Ich versuche regelmäßig laufen zu gehen, was nicht immer gelingt. Ich gehe viel zu Fuß – beruflich wie in der Freizeit. Ich gehe gern in den Wald, im Garten vergesse ich die Welt rundum – selbst wenn ich manchmal ein Instagram-Foto von Nacktschnecken poste. Ich koche für meine Kinder, spiele mit ihnen oder lese ihnen vor. Ich hör Musik, ich lese – bei Lyrik kann man unheimlich gut abschalten. Weil du dich entweder voll drauf einlässt, oder eben nicht. Ich lerne gerade Rumänisch – auch sehr faszinierend und anstrengend. Und ich verordne mir immer wieder mal komplett Social-Media-freie Wochenenden. Was ich striktest einhalte: Ich lese am Wochenende keine Mails. Kein einziges. Und Mails kommen mir nicht aufs Handy. Diesen Dammbruch des Beruflichen ins Private lasse ich nicht zu. Theoretisch sind am Wochenende auch berufliche Termine Tabu. Hin und wieder mache ich aber Ausnahmen.
Was bedeutet Glück für Dich?
Ich bin letztlich sehr bescheiden, weiß aber den Jackpot, gegen Ende des 20. Jahrhunderts in Mitteleuropa geboren zu sein durchaus zu schätzen. Glücklich bin ich, wenn es meinen Liebsten und mir selbst gesundheitlich gut geht. Glück ist auch, beim Haushalten nicht jeden Cent dreimal umdrehen zu müssen. Sonst reicht ein Buch, ein Hörbuch oder manchmal auch nur ein interessanter Podcast im Zug oder eine Sendung auf Ö1.
Was würde der Welt abgehen, wenn es Dich nicht geben würde?
Jeder ist einzigartig, jeder ist – zumindest beruflich – ersetzbar. Andernfalls wäre die Sache nicht professionell aufgesetzt. Wir wurden und werden immer wieder kopiert. Ein großes Kompliment. Ich bin stolz darauf, dass das, was wir tun viele Menschen inspiriert und beeinflusst. Dass wir vielen Menschen etwas bedeuten. Aber ich neige nicht mehr zur Selbstüberschätzung ;-). Und in ein paar Jahrzehnten ist ohnehin niemand von uns übrig.
Aber weil ich immer wieder gefragt werde, was man durch Bücher überhaupt bewirken könne: Eine Forscherin an der VetMed, die Wildtierökologin Teresa Valencak, die ich bei der Recherche für mein aktuelles Buch für das Kapitel „Iss wie Obelix (nur vielleicht ein bisschen weniger)“ interviewt habe, weil die Wildschweinpopulation in Mitteleuropa in vielen Gegenden exponentiell wächst und wir deshalb auf der Suche nach gutem Fleisch einfach auch mehr Wildschwein essen könnten, hat sich Monate nach dem Erscheinen von „100 Punkte Tag für Tag“ gemeldet. Sie hat meine beiden Bücher gelesen und sah sich durch meine Vorschläge zur Vermeidung von Food Waste und auch Innereien wieder wertschätzen zu lernen, inspiriert. Weil es Innereien, Fett, Fell und Schwarte ja auch bei Wildtieren gibt, hat sie sich nicht nur selbst gefragt, was die Jägerinnen und Jäger eigentlich mit diesem „Abfall“ machen, ob sie ihn verwerten oder warum nicht. Aus dem Fett lassen sich ja beispielsweise hochwertige Seifen, Salben oder Kerzen herstellen. Sie hat eine konkrete Umfrage durchgeführt – zuerst in Österreich und wegen des großen Erfolges dann gemeinsam mit der großen Jagdzeitschrift „Pirsch“ auch in Deutschland. Es gibt in Deutschland und Österreich zusammen fast 500.000 aktive Jägerinnen und Jäger. Wenn durch diese Umfrage auch nur ein Bruchteil davon mitbekommt und darüber nachdenkt, dann erachte ich das als großen Erfolg. Viel mehr kann man als Buchautor nicht bewirken: Menschen zum Nachdenken zu bringen, zu inspirieren, sodass diese selbst wiederum aktiv werden und in ihrem Wirkungskreis Menschen zum Nachdenken zu bringen. Und das kann zum Glück jeder Einzelne.
Worauf verzichtest Du, um Deine Leidenschaft ausleben zu können?
Ich habe in jungen Jahren relativ bewusst Fußball – aktiv wie passiv – aufgegeben. Einfach, weil die Zeit nicht für alles reicht. Sportberichterstattung gibt es de facto nicht in meinem Leben. Im Sommer habe ich aber meinem Sohn zuliebe mit ihm einige Fußball-EM-Spiele gesehen. Da kann man schon drauf reinkippen, habe ich da wieder gemerkt. Aber mit der Verleihung des EM-Pokals war Fußball auch schon wieder weg aus meinem Sichtfeld.
Was ist eigentlich das Schönste bei Deiner Arbeit?
Andauernd mit unterschiedlichen, sehr interessanten und meist auch sehr inspirierenden Menschen und Ideen in Kontakt zu kommen. Als Journalist bist du außerdem insofern privilegiert, weil man von dir ja sogar erwartet, dass du nachfragst. Ich fadisiere mich nie und das mit dem täglichen Lernen ist nicht nur so eine Behauptung.
Wer sind Deine wichtigsten und stärksten Unterstützer?
Meine Familie, meine Freundin, meine Kollegen – und ein paar wirklich gute Freunde.
Wer baut Dich auf, wenn es einmal nicht so klappt?
Richtig down bin ich selten. Zeit in der Natur ist da am besten oder ein nächtlicher Spaziergang im Schnee, eine Wanderung über Feldwege auf der Suche nach Tierspuren, ein nächtlicher Ausflug auf den Wilhelminenberg. Noch besser ist nur, die Zeit gemeinsam mit den Liebsten zu verbringen.
Wohin wird Dich deine Arbeit noch bringen? Gibt es noch geheime Projekte?
Ich wage keine Prognosen. Irgendwann werde ich einen Roman schreiben. Aber Arbeit würde ich das nicht nennen.
Wie gelingt es Dir Menschen für Deine Leidenschaft zu begeistern?
Ernst gemeintes Interesse, aufrichtige Anteilnahme, nichts Gespieltes. Klingt alles plattitüdenhaft, aber ich meine das ernst. Ich versuche Begegnungen mit Menschen, die mich nicht interessieren, aufs Mindeste zu reduzieren. Aber ich liebe Menschen, ich glaube an das Gute selbst in den meisten FPÖ-Wählern und weiß, dass es auch in denen, die sich besser wähnen, das Böse gibt. Ich versuche, mich nicht zu verstellen, ich möchte einfach ich sein und meinen eigenen Ansprüchen gerecht werden. Bislang hat das gereicht.
Was sagen eigentlich Deine Freunde, Dein Umfeld, Deine Familien zu diesem Engagement?
Im Großen und Ganzen finden es die meisten wohl gut. Aber ich habe sie nie gefragt. Und es ist eigentlich recht selten Thema.
Hast Du Tipps für unsere LeserInnen?
Man soll keine Gelegenheit auslassen, ein gutes Buch zu empfehlen. Eines, das ich selbst noch nicht ausgelesen habe, aber seit bald zehn Jahren immer wieder gerne zur Hand nehme und begeistert weglege, einfach weil man es kreuz und quer und wild lesen kann, ist Uwe Dicks „Sauwaldprosa“. Das sollte in Hotels im Nachtkästchen liegen, statt der Bibel. Die „Sauwaldprosa“ gäbe es auch als Hörbuch …
Hast Du einen Wunsch?
Ich glaube nicht ans Wünschen oder Beten.
Hast Du für unsere LeserInnen eine Buchempfehlung, einen Webtipp, einen Tipp für einen inspirierenden Platz, …?
Oh, das hatten wir schon. Dann ein Album, wenn man so will, mein Lieblingsalbum, das mir vor Jahren der sehr geschätzte ORF-Kollege Klaus Totzler auf Platte vorgespielt hat. Es gibt „Forever Changes“ von Love zwar auch in voller Länge auf Youtube, aber man sollte es einfach zu Hause haben, ganz klassisch, haptisch, als Tonträger. 1967 erschienen, fast fünzig Jahre alt, immer noch eine Wucht.
Wen sollten wir noch für „way to passion“ interviewen?
Renate Chorherr, die Gründerin der „Walz“. Ich kenne sie nicht, aber ich habe von dieser Bildungseinrichtung bislang nur Gutes gehört. Das ist sicher eine sehr interessante Frau. Ein Interview mit ihr würde ich lesen.