Florian Leregger ist Geschäftsführer des Instituts für Umwelt, Friede und Entwicklung (IUFE). Hauptberuflich beschäftigt er sich seit 2017 in dieser Funktion einerseits mit Aspekten der Nachhaltigkeit entlang der 17 SDGs in Österreich und andererseits mit Themen der Entwicklungszusammenarbeit. Seit kurzem ist Florian auch als freier Trainer, Vortragender und Autor für Nachhaltigkeit und Resilienz diversen spannenden Projekten unterwegs.

Was sollten wir über dich wissen?

Im Zuge meines Studiums Umwelt- und Bioressourcenmanagement habe ich gelernt, möglichst den ganzheitlichen Blick auf die Dinge zu pflegen. Auch mithilfe einer mehrwöchigen Forschungsreise in Uganda und bei einem Arbeitseinsatz im Regenwald Costa Ricas wurde mir bewusst, wie vielfältig und vielschichtig unsere Welt ist. Ich denke, diese beiden Merkmale zeichnen auch meinen bisherigen Lebensweg aus.

Was treibt Dich im Leben an?

Die Überzeugung, der nächsten Generation ein gutes Leben in einer möglichst intakten Umwelt zu überlassen. Daraus entspringt auch die Leidenschaft für meine Arbeit. Zusätzlich schätze ich mein Privatleben mit Familie und Hobbies als wertvolle Energiequelle für meine Persönlichkeitsentfaltung.

Was macht das Institut für Umwelt, Friede und Entwicklung (IUFE)?

Das IUFE ist eine kleines und feines Nachhaltigkeitsinstitut mit Sitz in Wien. Wir arbeiten als Think Tank im Sinne der nachhaltigen Entwicklung entlang der SDGs. Zu den elementaren Aufgaben gehören die Wissensvermittlung sowie Bildungs- und Kommunikationsarbeit in den Bereichen der Nachhaltigkeit, des Umweltschutzes sowie der Entwicklungs-zusammenarbeit. Praktisch bedeutet das, dass wir Veranstaltungen abhalten, Forschungs- und Bildungsprojekte durchführen, aber auch Publikationen veröffentlichen. Mit unseren Aktivitäten bewegen wir uns immer wieder an den Schnittstellen Politik, Zivilgesellschaft, Verwaltung, Wissenschaft und Wirtschaft. Aus aktuellem Anlass erlaube ich mir, auf unsere IUFE-Fachtagung „Digitalisierung & Entwicklung“, auf das laufende Projekt „Kommunale SDG-Umsetzung in Niederösterreich“ und auf unseren eigenen IUFE-Podcast „SDGs, EZA und Umweltschutz auf den Punkt gebracht!“ zu verweisen.

Was sind deine Aufgaben dabei?

Meine Aufgaben sind vielfältig und vielschichtig. Neben den administrativen Tätigkeiten wie etwa Buchhaltung liegen bei mir am Schreibtisch sowohl organisatorische Dinge für unsere eigenen Veranstaltungen als auch inhaltliche Arbeiten wie etwa Recherche- und Publikationstätigkeiten oder aber auch Vorträge und Podcastaufnahmen. Wir im IUFE agieren oftmals als Vernetzer und Brückenbauer. Da dürfen Termine und Gespräche mit einer Vielzahl an Stakeholder natürlich nicht fehlen.

Wie hast du die Themenwelt rund um Nachhaltigkeit für dich entdeckt?

Im Zuge meines jüngsten Buches, dem SDG-Sammelband „Perspektiven 2030“ von mir und René Hartinger, habe ich mir diese Frage auch gestellt. Klar ist, dass mit dem Beginn meines Studiums Umwelt- und Bioressourcenmanagement mit dem Fachbereich Regionale Entwicklung an der Universität für Bodenkultur diese Entdeckungsreise so richtig los ging. Ich habe mich damals intensiv mit verschiedenen Disziplinen und Fachbereichen wie etwa Wasser, Mobilität, Land- und Forstwirtschaft, Klimawandel, nachhaltigem Unternehmertum sowie Stadt- und Regionalentwicklung beschäftigt. Die Idee der ökosozialen Marktwirtschaft hat mich begeistert. So kam es auch, dass ich in meiner Studienzeit Vorsitzender des Ökosozialen Studierendenforums war. Dort durfte ich mit vielen engagierten Menschen denken und arbeiten. Diese Zeit mit vielen Wegbegleiter/innen war auf meiner Entdeckungsreise eine sehr bereichernde Zeit. Bis heute entdecke ich. Das macht es lebendig. So kann Weiterentwicklung gelingen.

Du sprichst gern und viel über die SDGs. Wie würdest du die Bedeutung der SDGs für die globale Entwicklung sehen?

Da hast du recht. Die SDGs sind zentrales Referenzwerk und wertvoller Rahmen in meiner täglichen Arbeit. Ich spreche gerne von einem Kompass, um die Orientierung in Richtung Nachhaltigkeit nicht zu verlieren. Die Bedeutung der SDGs für die globale Entwicklung empfinde ich als groß. Wir haben erstmals international anerkannte und gemeinsam verständliche Ziele, welche uns zusammenarbeiten lassen. Sie bergen eine Vielzahl an Lösungsansätze als Antwort auf die großen Herausforderungen der heutigen Zeit.

Sind die SDGs ein Friedensinstrument?

Ja. Und das meine ich nicht nur weil das SDG 16 explizit Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen adressiert. Beinahe so alt wie ich ist der Grundsatz 25 der UN-Erklärung über Umwelt und Entwicklung aus dem Jahr 1992. Darin heißt es „Frieden, Entwicklung und Umweltschutz bedingen einander und sind unteilbar“. Das sehe ich bis heute so. Blicken wir in die Agenda 2030 erkennen wir deutlich, dass die 17 SDGs unteilbar zusammenhängen. Gestalten wir ein gutes Leben für möglichst alle Menschen im Rahmen der ökologischen Belastungsgrenzen, tragen wir auch zur Friedenssicherung bzw. zur Entschärfung von Konflikten auf unserer Erde bei.

Du bist ja auch als Trainer und Vortragender unterwegs. Was sind so die zentralen Fragen die dir gestellt werden?

Richtig. Nebenberuflich arbeite ich als freier Trainer, Vortragender und Autor für Nachhaltigkeit und Resilienz. Hier geht es unter anderem auch um die Widerstandsfähigkeit von Personen und Organisationen als Systeme. Mehr und mehr erkenne ich auch hier Schnittmengen zu den SDGs. Als ausgebildeter Resilienz Trainer für die innere Widerstandskraft erlebe ich ganz aktuell die Belastungen und Herausforderungen im Zuge der Corona Virus-Pandemie als besonders relevant in unserer Gesellschaft. Eine zentrale Frage dreht sich immer wieder um die Aufrechterhaltung und Wiedererlangung der mentalen Stärke, um den Optimismus und die eigene Lösungs- und Zukunftsorientierung nicht aus den Augen zu verlieren.

Wie lautet deine Definition von Nachhaltigkeit?

Nachhaltigkeit ist für mich Lebensqualität. Bei der Definition halte ich mich an die Vorstellung, die sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Dimensionen in Balance zu bringen, ohne auf die kulturellen und politisch-institutionellen Aspekte zu vergessen. Immer wieder führe ich mir dabei die drei Leitstrategien der Nachhaltigkeit vor Augen: Suffizienz, Effizienz und Konsistenz.

Du beobachtest die Entwicklungen rund um Nachhaltigkeit ja sehr genau. Wo stehen wir da jetzt?

Es kommt darauf an, durch welche Brille man die Dinge betrachtet. Bedeutend hänget es dabei von Ebene, Perspektive und Prioritätensetzung ab. Global betrachtet, ist einiges an Verbesserungspotential zu erkennen. Ja, sogar dringend notwendig. Nehmen wir Österreich im internationalen Vergleich her und orientieren wir uns an den SDGs erkennen wir: Auf der einen Seite haben wir Aspekte etwa in Bereichen der biologischen Landwirtschaft oder Rechtsstaatlichkeit, bei der es nicht so schlecht aussieht. Ich denke auch, dass die Lebensqualität in unseren Städten und Gemeinden grundsätzlich relativ gut ist. Zahlreiche Unternehmen zeigen vor, dass klimaschonendes Wirtschaften eine Erfolgsgeschichte sein kann. Auf der anderen Seite sind notwendige Handlungen klar auszumachen. Denken wir beispielsweise an den CO2-Auststoß, Gender Pay Gap bei berufstätigen Männern und Frauen, Ressourcen- und Materialverbrauch oder die Bodenversiegelung. Da braucht es im Sinne der nachhaltigen Entwicklung klare Verbesserungen. Dringend. Nicht zu vergessen: Die Corona Virus-Pandemie hat einiges durcheinander gewirbelt. Ziehen wir nochmals die Agenda 2030 heran, wird klar, dass in den letzten Monaten bei den SDGs 1 Armut, 3 Gesundheit und Wohlergehen sowie 4 Bildung neue Herausforderungen auf uns zu gekommen sind. Auch der Megatrend der Digitalisierung bringt gänzlich neue Potentiale und Risiken mit sich. Hier bedarf es eine bewusste Gestaltung, um gesellschaftliche Transformationen zukunftsfit zu managen.

Wer ist da eigentlich besonders gefordert. Die Politik, Wissenschaft, Unternehmer, Konsument …?

Kurzum: alle. Ich bin überzeugt davon, dass tatsächlich alle Personen und Organisationen bzw. Teile unserer Gesellschaft je nach individueller Möglichkeit gefordert sind. Wir brauchen politische Rahmenbedingungen, genauso wie innovative und mutige Unternehmen oder eine Wissenschaft, welche die relevanten Zukunftsfragen stellt. Ich schreibe aber auch der engagierten Zivilgesellschaft sowie bewussten Konsumentinnen und Konsumenten eine wichtige Rolle zu.

Drei Dinge die im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit sofort passieren müssen.

Hier gäbe es viele Dinge zu tun. Spontan meine ich: Nachhaltigkeit als Chance und Lösung wahrnehmen! Dafür bedarf es Verantwortung, Wissen, Innovation und Kooperation. Zudem braucht es ökosoziale Rahmenbedingungen, so dass sich unsere Gesellschaft dementsprechend entwickeln kann. Und, Menschen dürfen gerne vermehrt ihre innere Dimension der Nachhaltigkeit entdecken, um handeln zu können.

Drei positive Beispiele im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit.

Glücklicherweise gibt es hier zahlreiche positive Entwicklungen. Egal ob es das die 17 SDGs als beschlossenes Rahmenwerk der internationalen Staatengemeinschaft, neue Allianzen zwischen Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft oder engagierte Gemeinden mit innovativen Nachhaltigkeitskonzepten sind. All das gibt Mut und Hoffnung. Und Antrieb, um weiterzuarbeiten. Seit 2016 sammeln wir im IUFE mit unserem SDG-Nachhaltigkeitsblog „Zukunftsrezepte“ unterschiedlichste Projekte und Beispiele im Zusammenhang mit nachhaltiger Entwicklung. Aus diesem Pool an Rezepten für eine lebenswerte Zukunft möchte ich hier ein Beispiel nennen – ohne zu vergessen, dass es eine enorme Vielzahl an weiteren engagierten Akteur/innen in den unterschiedlichsten Gesellschaftsbereichen gibt. Ich denke immer wieder an das Boutiquehotel Stadthalle in Wien als explizites SDG-Hotel mit einem ganzheitlichen Nachhaltigkeitsverständnis – begonnen beim Frühstücksbuffet bis hin zu Upcycling-Zimmer, eigene Energieproduktion und begrüntem Dach.

Was kann jeder sofort tun?

Sich informieren. Darüber sprechen. Dementsprechend Handeln. So zum Beispiel beim eigenen Konsumverhalten kann jede/r von uns darauf achten, woher die Produkte und Dienstleistungen kommen und unter welchen Bedingungen sie erzeugt wurden.

Was macht Dich persönlich aus?

Das solltest du andere Personen fragen, die das womöglich besser beantworten können – so zwecks Selbst- und Fremdwahrnehmung. Ich selbst empfinde mich durchaus als engagiert, verantwortungsvoll, ehrlich, agil, hilfsbereit, lösungsorientiert, optimistisch und besonnen. Vor kurzem habe ich einen schönen Spruch aufgeschnappt: Wer im Garten arbeitet, glaubt an die Zukunft. Das trifft bei mir zu.

Was würde der Welt abgehen, wenn es Dich nicht geben würde?

Dieses Interview.

Wie startest Du in den Tag? Gibt es „Rituale“ die Du umsetzt?

Ich starte seit einiger Zeit ganz bewusst mit körperlicher Bewegung und achtsamen Atmen zuhause im Wohnzimmer. So genieße ich mir ein paar Minuten Ruhe, bevor der Trubel des Tages losgeht.

Was braucht ein Tag, um perfekt zu sein?

Unterwegs sein – gedanklich und/oder örtlich. Herzliche Menschen. Ehrliche Gespräche.

Hast Du für unsere LeserInnen eine Buchempfehlung, einen Web Tipp, einen Tipp für einen inspirierenden Platz, …?

Du meinst neben meinem SDG-Sammelband „Perspektiven 2030 – 17 Ziele für den Weg in eine lebenswerte Zukunft“, den ich mit René Hartinger im September 2020 herausgebracht habe? Nein, Spaß. Das ist eine billige Schleichwerbung. Aktuell liegt auf meinem Schreibtisch unter anderem das Buch von Donella H. Meadows „Die Grenzen des Denkens“ aus dem Jahr 2010. Empfehlenswert in punkto systemischen Denkens.

Zu guter Letzt: Kurze Fragen – kurze Antworten!

Zick-Zack Lebenslauf oder geradlinige Karriere?
Zick-Zack-Lebenslauf.

Arbeitet bedeutet für mich ….
… Sinnstiftung und Freude.

Leidenschaftlich gerne …
… genieße ich gutes Essen.

Lieblingsort zum konzentrierten Arbeiten?
IUFE-Büro.

Auf meinem Smartphone Home Screen ist zu sehen …?
Berge und ein See.

Um abends abzuschalten ….
Augen zu und Schlafen.