Natalie Haas ist 20 Jahre alt, ausgebildete Kindergartenpädagogin und studiert Politikwissenschaft in Salzburg. Natalie wohnt im kleinen, weltoffenen Dorf Berndorf, nördlich von Salzburg. Neben einigen Studentenjobs hält sie auch Workshops zum Thema Gewaltfreiheit und Anti-Rassismus an Schulen. Sie ist begeisterte Chorsängerin und engagiert sich schon seit einigen Jahren in der Entwicklung von sozialen und politisch digitalen Projekten mit und ist seit Jänner in der Flüchtlingshilfe engagiert. Sie reist gerne und bastelt gerade mit anderen jungen Menschen an einer Website für  Gemeinden und Interessierte, die Tools für eine bessere Integration zu Verfügung stellen soll.

Im Frühjahr dieses Jahres sind 35 Flüchtlinge in die Heimatgemeinde von Natalie gekommen. Mit anderen Mitbürgern hat sie nicht nur Hilfe gezeigt, sondern auch eine Reihe von konkreten Aktionen zur Integration geleistet. Bei der erst vor kurzem stattgefundenen TEDxDonauinsel hat Natalie darüber gesprochen und auch wie wertvoll und bereichernd es war die Flüchtlinge in der Gemeinde willkommen heißend aufzunehmen.

Die Idee: Flüchtlingen zu helfen, durch Kleinigkeiten positive Integration ermöglichen und jetzt alle Tools die wir kennen an andere weitergeben. Das, um gemeinsam eine solidarische Gesellschaft zu schaffen, die sich den globalen Herausforderungen stellt und es durch die Implementierung kleiner Ideen schafft etwas positives daraus zu machen und weiß wie man von Vielfalt profitiert.

Welche Leidenschaft treibt dich an?

Wir sprechen im Leben so viel über Leidenschaften, ich habe entdeckt, dass es meine ist, die Leidenschaften von anderen kennen zu lernen. “exploring others“ ist wohl die größte Leidenschaft die mich in meinem Leben antreibt. Und diese Leidenschaft ist eben genauso vielfältig wie die verschiedenen Leidenschaften die alle Menschen haben.

Wann hast du deine Leidenschaft für das was du gerade machst entdeckt? Wo hast du von dieser Idee erfahren?

Das fing schon an als ich mich dazu entschieden habe die Ausbildung zur Kindergartenpädagogin zu machen. Menschen waren einfach schon immer der Mittelpunkt meines Lebens. Gerade in der Arbeit mit Kindern kommt auch wieder die Vielfalt in den Vordergrund, die der Interessen, die der Fähigkeiten und natürlich auch die der Kulturen.

Aber eigentlich hat es noch früher angefangen. Meine Eltern erzählen mir immer von verschiedensten Geschichten, wie ich im Urlaub auf meine Art Menschen, Individuen, deren Kulturen und deren Persönlichkeiten erforscht habe. Ob das die anderen Kinder in Indien waren, oder der alte Bettler auf Kreta, der mich eben als 3 jährige viel mehr interessiert hat, als ein junger “fescher“ Kellner. Menschen die “anders“ sind haben mich schon immer interessiert und dabei vor Allem herauszufinden welche Persönlichkeiten sie haben, was sie interessiert, was man gemeinsam hat und vor Allem auch was man voneinander lernen kann.

Zudem bin ich mit meinem Urgroßvater aufgewachsen, den meine Mama bei uns Zuhause gepflegt hat. Ich kenne keinen anderen Menschen mit einer solchen Weitsicht, Weltoffenheit, Weltinteresse und auch Erfahrung, seine Geschichten und sein Interesse haben denke ich meine ganze Familie geprägt und dafür gesorgt dass wir seinen ewigen Willen zur Erweiterung des eigenen Horizonts weitertragen.

Und so ist das was mich geprägt hat im finden meiner Leidenschaft denke ich vor Allem meine Familie und wie sie mich gelehrt hat mit der Welt umzugehen. Wir sind auch immer schon viel gereist und die Erkundung der Menschen stand dabei auch im Mittelpunkt.

In den letzten Jahren bekam ich vermehrt die Möglichkeit gemeinsam mit anderen jungen Menschen aus hauptsächlich postrevolutionären Ländern an politisch sozialen Projekten zu arbeiten.

Deswegen studiere ich wahrscheinlich auch Politikwissenschaft. So verfolge ich nun natürlich schon seit längerem in den Medien die Bürgerkriegsthematik und andere Krisenlagen von Ländern und die damit verbundene in letzter Zeit immer mehr aktuell gewordene Flüchtlingsthematik.

Es ist doch offensichtlich, dass wir als Einzelpersonen nur schwer etwas dagegen tun können, dass es diese enormen Flüchtlingsbewegungen gibt. Aber wir können genau ansetzen wo wir sind. Es kommt eben die Herausforderung auf jeden Einzelnen zu, dass Millionen von Menschen “on the move“ sind. – Unsere Aufgabe liegt darin, das Bestmögliche daraus zu machen!

Als dann Mitte Jänner 35 männliche Flüchtlinge aus Syrien, Somalia, Irak, Yemen, Afghanistan, Kossovo, Bangladesh und dem Kongo zu uns ins Dorf gekommen sind war für mich klar, dass ich hier ansetzen muss.

Wie hat dein Engagement für Flüchtlinge dein Leben verändert?

Auf eine Weise die ich nicht erwartet hätte!

Alles was ich Anfangs erreichen wollte, war es Menschen zu helfen, ihnen mit dem Respekt und der Wertschätzung zu begegnen, die sie verdient haben, ihnen einen positiven Neustart zu ermöglichen und einigen Menschen zu zeigen, dass es bereichernd ist diese 35 Männer mit all ihrer Diversität kennen zu lernen.

Was daraus geworden ist, ist eine neue Gemeinschaft innerhalb unseres Dorfes, Freundschaften fürs Leben und vieles mehr. Wer hätte gedacht, dass 35 junge Männer mit verschiedensten Nationalitäten das kleine Berndorf dazu bringen kann näher zusammenzurücken, so zu kooperieren und gemeinsam etwas so großartiges zu schaffen. Eigentlich haben diese 35 Männer mich und die anderen Dorfbewohner dazu gebracht ihre Leidenschaften neu zu entdecken.

Zudem bekomme ich jetzt immer öfter Anfragen für Interviews, werde zu Diskussionen eingeladen um am Podium mit zu diskutieren und immer mehr Menschen interessieren sich dafür, was ich über die Erfahrungen unseres Dorfes zu berichten habe. Es ist für mich mehr als ehrend, dass ich zum Beispiel bei TEDx Donauinsel über die Erfahrungen berichten durfte, die ich aus der Interaktion mit Flüchtlingen geschöft habe.

Das eröffnet mir ganz neue Perspektiven. Das gibt mir die Möglichkeit unsere Erfahrungen mit so vielen Menschen wie möglich zu teilen, es gibt die Möglichkeit sich mit anderen zu vernetzen und gegenseitig von positiven Erfahrungen zu profitieren. Genau das ist ja das wichtige an der Sache, die Erfahrungen die man macht für so viele Menschen wie möglich zugänglich zu machen.

Wo findest du den Raum um deine Leidenschaft ausleben zu können?

Der Raum um die eigentliche Leidenschaft ausüben zu können, andere mit all ihren Facetten kennenzulernen, bietet sich doch eigentlich jeden Tag, in jeder Situation und in jeder Location.

Den Raum aus dieser Leidenschaft etwas tolles zu machen, dass auch nachhaltig andere inspirieren kann hat vor allem unsere Gemeinde geschaffen. Und zwar alle gemeinsam mit den 35 Männern. Es war jeder einzelne der etwas beigetragen hat, der Bürgermeister, der den ersten entscheidenden Schritt gemacht hat, die Menschen ausreichend zu informieren zum Beispiel. Oder Sabine, die jeden einzelnen Tag mit den Männern Deutsch gelernt hat. Aber auch der Bäcker, der Brot geliefert hat, die Menschen, die Sightseeingtours mit den Männern gemacht haben, die Bauernfamilien, die die Männer zur Besichtigung eingeladen haben, meine Mama, die ihre Unterstützung immer, zu jeder Zeit und in jedem Maß anbietet, die Burschen und Mädels, die mit den Männern Sport gemacht haben, die Volksschulklassen die zu Besuch kamen. Aber auch die männer selbst, die uns geholfen haben wo sie konnten, Kochkurse gaben, Gärten herrichteten undsoweiter .. Auch der örtliche Wirt, der uns den Raum zur Verfügung gestellt hat in dem wir gemeinsam mit den Männern einen multikulturellen Abend veranstaltet haben bei dem Tanz, Musik, Vorträge und Kulinarik ein Fundament für positiven Austausch geschaffen haben.

Jeder einzelne beteiligte Mensch hat den Boden geschaffen der es ermöglicht hat aus Leidenschaft etwas großes zu machen.

Das hat uns und mir auch besonders gezeigt, dass es garnicht so schwer ist, Leidenschaften auszuüben, andere Leidenschaften kennenzulernen und Leidenschaften zu teilen… Sprache, Alter, Geschlecht, Religion oder Herkunft spielen eben eine nicht so bedeutende Rolle, wenn man erkennt wie bereichernd es ist, gemeinsam Leidenschaft zu leben.

 

Worauf verzichtest du, um deine Leidenschaft ausleben zu können?

Es ist schwer zu sagen worauf man wirklich verzichtet. Ich habe sicherlich auf den ein oder anderen Nachmittag verzichtet den ich zum lernen verwenden hätte können oder vielleicht auch sollen. Oder darauf die Serie House of Cards fertig zu schauen haha.

Aber ich denke es geht nicht darum worauf man verzichtet, sondern viel mehr darum, was man bekommt.

Man muss eben Prioritäten setzen. Und da ist es für mich klar eine weitaus wichtigere Priorität Menschen zu helfen und Verständnis, Solidarität und Expertise zu verbreiten, als einen weiteren 1er an der UNI zu schreiben oder eine Serie fertig zu schauen.

Was mich mein ganzes Leben gelehrt hat, ist dass man aus der Verbindung mit Menschen und sozialem Handeln, egal ob mit Kindergartenkindern, meinem Urgroßvater den meine Mama gepflegt hat, den Jugendlichen mit denen ich Workshops zum Thema Gewaltfreiheit und Anti-Rassismus mache oder eben den 35 Flüchtlingen… Man bekommt immer mehr heraus als man hineinsteckt, egal wie viel es ist, die Bereicherung überwiegt immer.

Was ist eigentlich das Schönste bei deiner Arbeit?

Zu den wunderbaren Dingen gehört es auf jeden Fall eingeladen zu werden, zu Interviews, Events und Vorträgen, einen Brief von der Landesrätin zu bekommen undso.. weil man merkt, dass man mit seiner Leidenschaft nachhaltig etwas bewirkt und sich die Leute dafür interessieren.

Aber das Allerschönste ist der Moment, wenn du merkst, dass sich ein “Flüchtling“ zum ersten Mal wieder zuhause fühlt. Wenn aus einem Fremden einer deiner besten Freunde wird. Das Lächeln dass die Männer jedes Mal auf dem Gesicht haben wenn wir uns wieder sehen. Das sind die schönsten und wichtigsten Momente.

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Wer sind deine wichtigsten und stärksten Unterstützer?

Auf jeden Fall meine Mama, mein Bruder, mein Papa und auch andere Familienmitglieder. Die sind es eben, die mich schon mein ganzes Leben in Allem was ich tue unterstützen.

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Dazu aber auch hervorstechend unser Bürgermeister, ich kenne keinen Anderen, der Engagement so aufgreift und unterstützt und einen so nahrhaften Boden für Engagement junger Leute bietet wie er. Und durch ihn eben auch die ganze Gemeinde.

Die wichtigsten Unterstützer sind genau jene um die es geht, die 35 Männer die im Jänner zu uns gekommen sind, ohne sie gäbe es die ganzen Erfahrungen garnicht.

So war eben jeder Beteiligte ein Unterstützer, jeder hat seinen Teil beigetragen und jeder Einzelne war essentiell und ausschlaggebend.

 

Wer baut dich auf, wenn es einmal nicht so klappt?

Flüchtlingsengagement erntet leider nicht immer ausschließlich positive Kritik…

Das sind die die mich wieder aufbauen zum einen jene, die ich schon als Unterstützer genannt habe, vor Allem meine Mama, sie schafft es immer wieder mich neu zu motivieren auch wenn ich am verzweifeln bin. So auch mein Bruder, der immer die Fassung bewahrt und mir hilfreiche Tipps gibt.

In letzter Zeit standen bezüglich dem aufbauen, wenn es einmal nicht so klappt aber sicherlich auch einige meiner Studienkollegen im Vordergrund. Ich bin eben rund um die Uhr mit der Flüchtlingsdebatte beschäftigt, auch in der UNI. Als da dann zum Beispiel Mitte März ein spontaner Anruf kam, dass einige der Männer die in Berndorf untergebracht waren am nächsten Tag verlegt werden sollten kam es schonmal vor dass ich kurzzeitig die Fassung verlor. Sie waren es die mich sofort beruhigten. Und auch wenn ich mich mal wieder wie so oft in den sozialen Medien stundenlang damit aufhalte Beiträge, bezüglich der Flüchtlingsthematik, zu kommentieren, sind oft sie diejenigen die mich wieder runterholen und mich durch konstruktive Diskussionen neu motivieren.

Natürlich sind es aber auch die geflüchteten Männer, die jetzt meine Freunde sind selbst, die mich wieder aufbauen. Indem sie mir einfach täglich neu beweisen, dass sie tolle Persönlichkeiten sind, für die ich mich gerne einsetze, so wie sie sich für mich einsetzen, wie es Freunde füreinander tun.

Wie gelingt es dir immer wieder Menschen für deine Leidenschaft zu begeistern?

Dadurch dass es mir gelungen ist zu zeigen, dass diese Leidenschaft, Menschen kennenzulernen und sie in ihren Persönlichkeiten zu fördern und wert zu schätzen, etwas großartiges schaffen kann. Etwas von dem alle profitieren und was auch wirklich funktioniert.

 

Was sagen eigentlich deine Freunde, deine Familie zu diesem Engagement?

Auch wenn sie manchmal vielleicht durch dieses Engagement etwas kürzer kommen, finden sie es großartig, unterstützen mich darin und tragen es weiter… sie schätzen mich und erkennen den Wert meines Engagements.

Nach TEDx Donauinsel hat meine Mama geweint, mein Bruder hat mich in die Arme genommen und mir gesagt wie glücklich und stolz er ist mich als Schwester zu haben.

Mein Papa hat mir gesagt wie enorm stolz er ist, dass ich seine Tochter bin und das ich ein wahres Vorbild für ihn bin.

Es gibt denke ich nichts wertvolleres als die Worte und die Zustimmung jener, die einem wichtig sind. Vor allem sind sie ja genau diejenigen wegen denen ich bin, wie ich bin.

 

Hast du Tipps für unsere LeserInnen?

Just say hello to a stranger and you will see he or she can be your tomorrows friend!

 

Hast du einen Wunsch?

Ich würde mir wünschen, so viele Menschen wie möglich mit unseren positiven Erfahrungen erreichen zu können, daraus etwas zu schaffen, von dem alle profitieren können. Ich habe den Wunsch, dass unsere Gesellschaft eine der Weltoffenheit und der Solidarität wird, in der man erkennt dass Vielfalt Bereicherung ist.