Michael Keinrath ist verantwortlich für den Aufbau des Climatech-Start-Ups SEMINA. Während seines Maschinenbau- und industrielle Energietechnikstudiums an der Montanuniversität Leoben, war er von 2016 bis 2020 für eine österreichische NGO im Bereich Entwicklungszusammenarbeit als Projektmanager tätig. Nach mehreren Aufenthalten in Ostafrika und der Konfrontation mit der häuslichen Luftverschmutzung, hat er ein Team zusammengestellt, dass an einer Lösung arbeitet, die die häusliche Luftverschmutzung enorm reduziert, lokale Arbeitsplätze schafft und ein Hightechprodukt für Menschen zugänglich macht, die in absoluter Armut leben.

Was machst du gerade?

Zurzeit arbeiten das Team um SEMINA und ich daran, wie wir trotz Krise und Einschränkungen, unsere Meilensteine, die wir für den Sommer geplant hatten, umsetzen können. Wir möchten im Sommer mit der Social Innovation Academy in Uganda unsere hocheffizienten Holzsparöfen mit unserem Kreislauf/Finanzierungsmodell testen und arbeiten jetzt an einer Lösung wie wir, ohne dass wir vor Ort sind, unser lokales Team ausbilden können und die Wertschöpfungsketten zum Laufen bringen.

Was bedeutet die Corona Krise für dich ganz persönlich?

Zuerst ziemlich viel Bauchweh. Mitte März hatte ich einen komplett vollen Terminkalender, hatte Drehtermine, Workshops und sogar noch einen Pitch auf dem World Summit Award. Hab also überall teilgenommen, wo man nicht mehr teilnehmen hätte sollen. „Damals“ war es ja noch eine Empfehlung, so ein mieses Bauchgefühl bei Veranstaltungen hatte ich aber noch nie und es war nicht der Pitch schuld, der ist nämlich aufgegangen ?.

Am Freitag, an dem die ersten Maßnahmen verkündet wurden, war ich während der Heimfahrt im Zug richtig froh zurück zu meiner Familie ins Burgenland zu kommen. Sonst bin ich mit den Gedanken im Start-Up versunken oder irgendwo wo es Wasser, Wind und Wellen gibt. In dem Moment war ich richtig froh, dass ich noch nachhause fahren konnte und hab zum ersten Mal realisiert was und wo für mich Zuhause ist.

Inwieweit beeinflusst die Krise Deinen Job?

Die ersten Wochen haben wir versucht alles so gut wie möglich online bzw. übers Homeoffice abzuwickeln, sind aber sehr bald an unsere Grenzen gestoßen, da online einfach nicht alles funktioniert. Wir befinden uns gerade mitten in der Entwicklung unserer Prototypen und die müssen physisch im Team hin und hergereicht werden, um Features zu testen oder kleine Änderungen vorzunehmen. Zum Glück haben wir echt großartige Partner, die trotz Krise und massiv eingeschränktem Betrieb, Einzelteile für uns fertigen, wodurch wir auch in dieser Zeit wichtige Fortschritte machen können.

Ofen bauen in Uganda

Was mir gerade große Sorgen bereitet ist die Situation in Uganda, auch weil die Entwicklung der Krise so unvorhersehbar ist. Die Social Innovation Academy musste schon vor Wochen, aufgrund der strengen Maßnahmen, schließen und alle Schoolars nachhause schicken, was für die meisten eine hunderte Kilometer lange Heimreise bedeutete und enorme Kosten mit sich getragen hat. Mittlerweile haben wir einen konkreten Plan aufgestellt, wie wir unser lokales Team in Uganda bestmöglich unterstützen können.

Was vermisst Du gerade besonders?

Meine Freunde zu treffen, auf ein Bier zusammen zu sitzen und den Neusiedlersee. Ganz besonders das Kitesurfen, das ich gerade irgendwie durch Gartenarbeit zu kompensieren versuche. Zurzeit funktioniert es noch, nächste Woche sind dann aber alle Gartenprojekte fertig. Dann wird’s spannend. ?

Wie gestaltest Du Deinen Tag?

Nach dem Chaos (oder eigentlich sehr flexiblen anpassen an die neue Situation) und „verzweifelten Plan suchen“ der ersten Wochen, habe ich jetzt einen ziemlich strukturierten Tagesablauf. Am Vormittag ein bis zwei Online-Meetings, Workshops oder ich mache Tests mit unseren neuen Prototypen. Den Nachmittag verbringe ich im Garten und am Abend liegt dann wieder mein voller Fokus auf SEMINA und der Produktentwicklung.

Wie wird das Leben nach Corona für Dich ausschauen?

Einerseits hoffe ich, dass mein Alltag bald wieder abläuft wie vor Corona und dass ich wieder am Neusiedlersee, am Donaukanal und überall wo ich möchte mit meinen Freund/innen zusammensitzen kann. Gleichzeitig hoffe ich, dass endlich neue Innovationen und Lösungen mehr Beachtung finden, um globale Krisen präventiv abzuwenden und dass das „Wiederhochfahren“ grüner und sozial-gerechter ablaufen wird als jemals zuvor.

Ich tu mich aber gerade echt schwer Prognosen für die Zukunft zu machen. Ich hoffe natürlich das Beste, die Realität holt einen aber schnell wieder ein und um manche politischen Entwicklungen mache ich mir riesengroße Sorgen, neben der Kriegsrhetorik mancher in Österreich und speziell zu den „Maßnahmen“ in Ungarn. Als Burgenländer hat man die Grenze zu Ungarn fast immer in Sichtweite und sich dabei bewusst zu sein, dass ~8km weiter östlich ein ganzer Staat per Dekret regiert wird, lasst dann die progressiven Zukunftsgedanken wieder verblassen.

Welche Entwicklungen werden sich dadurch beschleunigen? In der Gesellschaft? In der Wirtschaft?

Einerseits bietet die Krise eine einzigartige Chance, um sich selbst zu verwirklichen, gleichzeitig frage ich mich „geht das überhaupt mit so vielen neuen Fragezeichen im Kopf?“

Kannst Du anderen mit Deiner Expertise helfen?

Ich helfe gerne weiter, glaube aber nicht, dass in der jetzigen Situation spezielle Expertise nötig ist und bin überzeugt, dass jede/r helfen kann. Manchmal reicht’s ja schon einfach ein Mensch zu sein.