Wolfgang Pfoser-Almer ist seit 25 Jahren im Kultur- und Eventbereich tätig. Er ist Gründer der Künstlervermittlung popfakes (2002-2012), erster Förderer von u.a. Austrofred und Kreisky. Von 2009 bis 2016 war Wolfgang künstlerischer Leiter beim LINZFEST (damals größtes Musikfestival in OÖ). 2017 Veröffentlichung von LATE BLOSSOM BLUES, einem mehrfach international preisgekrönten Dok-Film über den Blues-Musiker Leo „Bud“ Welch (Regie, Produktion). Seit 2017 ist Wolfgang Pfoser Geschäftsführer der WearFair. Wolfgang ist verheiratet und hat ein Kind.
Die WearFair ist die größte österreichische Messe für nachhaltig-fairen Konsum und findet heuer schon zum 13. Mal in der Tabakfabrik Linz statt. Veranstaltet wird die Messe vom gleichnamigen Verein, der von den drei NGOs Südwind, Klimabündnis und GLOBAL 2000 gegründet wurde.
Was treibt Dich im Leben an?
Ich möchte meine Zeit und Kraft ausschließlich für Projekte einsetzen, die einen für mich spürbaren Impact haben. Ich brauche es, das Publikum auf meinen Veranstaltungen oder im Kino zu sehen, zu spüren. Natürlich müssen meine Projekte auch immer meinen moralischen Wertvorstellungen entsprechen, also vor allem Respekt, Toleranz und Nachhaltigkeit.
Was macht die wearFair so besonders?
Die WearFair ist nicht nur die größte Messe für nachhaltig-fairen Konsum in Österreich und wahrscheinlich sogar in ganz Zentraleuropa, sie ist auch die mit den strengsten Nachhaltigkeitskriterien. Wir haben unsere Kriterien mit langjährigen ExpertInnen unserer Partner-NGOs Südwind, Klimabündnis und GLOBAL 2000 entwickelt, und diese ExpertInnen prüfen dann auch jede einzelne Anmeldung auf Einhaltung dieser Kriterien. Die sind so streng, dass wir jedes Jahr 20-30 Anmeldungen ablehnen müssen, weil die Ausstellenden einfach nicht gut genug für uns sind.
Wie bist Du zur wearFair gekommen?
Die Geschäftsführung war 2016 ausgeschrieben, kurz nachdem mein Vorprojekt, das Musikfestival LINZFEST, wo ich künstlerischer Leiter war, politisch beendet wurde. Ich habe mich ganz normal beworben und bin erfreulicherweise genommen worden. Das war dann schon ganz schön spannend, als ich das erste Mal dem Team gegenübersaß. Aber das Team ist wirklich toll und hochmotiviert, die haben mich vom ersten Tag getragen und mir vertraut.
Sind Messen eine gute Möglichkeit für die Präsentation von nachhaltigen Produkten?
Auf jeden Fall, gerade bei einer großen Messe wie bei uns erreicht man ja wirklich viele Menschen. Im persönlichen Kontakt kann man dem Publikum auch ein viel tiefergehendes Verständnis für ein Produkt und die Menschen dahinter vermitteln. Ich finde es wichtig, dass die Leute wieder einen Bezug zu den Produkten aufbauen, die sie jeden Tag verwenden. Wenn man weiß, der oder die hat das selber gemacht, dann kann man ein Produkt vielleicht stärker wertschätzen und schmeißt es nicht so schnell weg.
Wenn man so die wearFair im Rückblick betrachtet, was ist dabei so richtig gut gelungen?
Offensichtlich traf das WearFair-Konzept gleich in den ersten Jahren einen Nerv, sonst wäre die Messe nicht so schnell gewachsen – damals war die WearFair ja eine reine Modemesse, daher auch der Name WearFair. Der wichtigste Schritt war dann ab 2013 oder 2014 die Öffnung für alle anderen Produktgruppen. Das hat der Messe die heutige Breite beschert, sicher einer der absoluten Erfolgsfaktoren. Heute verstehen wir uns als 360 °-Messe, das heißt wir versuchen für jede Konsumentscheidung, vor der ein Mensch stehen kann, eine nachhaltige Alternative anzubieten.
Wie werden sich die Marktplätze für nachhaltige Produkte in den nächsten Jahren entwickeln?
Aktuell herrscht hier ein großer Boom, ich würde fast sagen eine Art Goldgräber-Stimmung. Die Themen Nachhaltigkeit und Klimaschutz sind – endlich – in der Mitte der Gesellschaft angekommen, und deswegen versuchen jetzt viele Messeanbieter, ihre eigene Nachhaltigkeitsmesse aus dem Boden zu stampfen. Das muss jetzt nicht automatisch schlecht sein – die Öko-Fair in der Messe Innsbruck ist wirklich vorbildlich, genauso natürlich die Bio-Messe Wieselburg, aber die gibt’s eh schon seit Jahren.
Bei zahlreichen anderen „Nachhaltigkeits“-Messen habe ich nicht immer den Eindruck, dass bei den Ausstellenden und Produkten tatsächlich konsequent auf Nachhaltigkeit geachtet wird. Grundsätzlich erwarte ich aber, dass das Thema Nachhaltigkeit weiter wachsen wird, und daher nehme ich auch an, dass gut funktionierende, tatsächlich nachhaltige Messen wie die WearFair noch in viele Richtungen weiter wachsen können.
Du beobachtest die Entwicklungen rund um Nachhaltigkeit ja sehr genau. Wo stehen wir da jetzt?
Wie vorhin schon erwähnt, wir sind jetzt an dem Punkt, wo das Thema Nachhaltigkeit in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist – mit allen Vor- und Nachteilen.
Die KonsumentInnen achten jetzt tatsächlich verstärkt darauf, nachhaltige Produkte zu kaufen, und die ProduzentInnen bieten verstärkt Produkte an, die diese Nachfrage zumindest mal scheinbar befriedigen. Da die Industrie aber nicht von heute auf morgen alles auf tatsächlich nachhaltig-faire Produktion umstellen kann (oder will), wird halt versucht, möglichst jedem Produkt ein Nachhaltigkeits-Mäntelchen umzuhängen. Und deswegen versprechen einem jetzt immer öfter irgendwelche oft von der Industrie selbst erfundene Gütesiegel, dass ein Produkt wirklich, wirklich suuuper-nachhaltig ist.
Den KonsumentInnen ist durchaus klar, dass das in den meisten Fällen nicht oder nur zur Hälfte stimmt – aber wer hat im stressigen Alltag schon Zeit, sich genauer mit solchen Themen auseinanderzusetzen? Hier bieten wir eine gewisse Sicherheit an: Wir haben jeden einzelnen unserer Ausstellenden durch ExpertInnen genau überprüft. Damit stellen wir sicher, dass die Menschen auf unserer Messe wirklich mit gutem Gewissen einkaufen können.
Wer ist da eigentlich besonders gefordert. Die Politik, Wissenschaft, Unternehmer, Konsument …?
Mich interessiert hier vor allem die KonsumentInnenperspektive, weil ein Großteil der globalen Wirtschaft von den Konsumentscheidungen jedes einzelnen Menschen abhängt – und KonsumentInnen sind wir alle. Daher sind wir auch alle gefordert, und zwar bei jeder einzelnen Konsumentscheidung, jeden Tag: Entscheide ich mich für das nachhaltige Produkt oder unterstütze ich Ausbeutung, Umweltzerstörung und Klimawandel? Das beginnt bei jedem einzelnen Artikel im Supermarkt: Gibt’s das auch in Bio? Nehme ich das plastikverpackte Produkt oder das unverpackte? Brauche ich im Winter wirklich Erdbeeren, die um die halbe Welt geflogen werden und eh nach nix schmecken? In diesem Sinne ist jede Konsumentscheidung, egal wie klein, eine politische Entscheidung.
Wenn wir alle miteinander aufhören, nicht-nachhaltige Produkte zu kaufen, dann wird sie auch niemand mehr produzieren. Natürlich braucht’s dafür aufgeklärte Konsumenten, was ein Bildungs- und daher ein Politik-Thema ist, und natürlich auch ein Medien-Thema. Und es braucht nachhaltige Produkte in ausreichenden Mengen – auch da müsste v.a. die Politik die Rahmenbedingungen schaffen. Aber auch die Politik wird ja von uns gewählt – das heißt auch hier liegt’s wieder an jedem Einzelnen von uns.
Drei Dinge die im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit sofort passieren müssen.
– Realistische CO2-Bepreisung, im Optimalfall zumindest mal in ganz Europa
– Massive Verstärkung und Vernetzung des internationalen Bahnverkehrs
– Verpflichtende, hochwertige Nachhaltigkeitskriterien in der öffentlichen Beschaffung.
Kannst Du uns drei positive Beispiele im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit nennen?
– Der Film Our Biggest Little Farm zeigt ein unglaubliches Beispiel, was etwa in der Landwirtschaft mit einer konsequenten Ausrichtung an nachhaltigen Prinzipien erreicht werden kann. Wunderschön, inspirierend – Ansehen!
– Der Erfolg von Startups wie markta oder refurbed.at, die bei uns begonnen haben.
– Der heurige Sommer. Ich habe von vielen Leuten gehört, dass sie heuer die Schönheit Österreich wiederentdeckt haben, weil sie ja nicht wirklich weg konnten. Ich war heuer mit meiner Familie auch extrem viel nur in Österreich unterwegs (war schon vor Corona so geplant), es war fantastisch. Man muss nicht in ein Flugzeug steigen, um’s wo schön zu haben.
Wie wird die Welt nach Corona ausschauen? Eine Idee?
Wir alle sollten jetzt nach dem Lockdown darauf achten, vorrangig den richtigen, nachhaltigen Teil der Wirtschaft wieder aufzubauen. Also jene Unternehmen, von denen wir in Wahrheit alle wissen, dass sie der einzige Weg in eine lebenswerte Zukunft sind. Da zählt aktuell, mehr denn je, jede einzelne Konsumentscheidung, wie vorher schon mal ausgeführt.
Wenn wir das gut hinkriegen kann die Welt nach Corona vielleicht tatsächlich eine etwas nachhaltigere sein.
Was macht Dich persönlich aus?
Ich kann fast gar nix. Wenn man sich meine Berufsbezeichnungen der letzten Jahre auf Englisch anschaut, wird klarer, wo das herkommt: Ich war beim Linzfest Artistic Director, beim Film bin ich Director und bei der WearFair bin ich Managing Director, also immer „Director“. Und was macht ein Director, wortwörtlich? Er gibt directions, also er zeigt die Richtung an. Das ist was ich am besten kann, was mich ausmacht.
Ich verbringe unendlich viel Zeit damit, neben ExpertInnen zu sitzen, die mir an Fachwissen 100mal überlegen sind. Und während die ExpertInnen ihr unglaubliches Fachwissen ausspielen, sitz ich einfach nur so da und versuche, ihnen die grundsätzliche Richtung zu vermitteln, in die sich das jeweilige Projekt aus meiner Sicht bewegen soll. Und wenn das klappt, habe ich meinen Job gut gemacht.
Welche Projekte liegen noch in Deiner Schublade?
Für die WearFair gibt’s ein paar seeeehr spannende und richtig große Neuigkeiten, die wir auf der heurigen Messe in Linz bekanntgeben.
Als Filmemacher gibt’s natürlich eine Fülle an Ideen für meinen zweiten Film, grad am Wochenende ist wieder eine Idee aufgetaucht, die mir wirklich gut gefällt. Aber da wird wohl so schnell nix passieren, die WearFair braucht meine gesamte Kraft und Aufmerksamkeit in den kommenden Monaten und Jahren.
Was würde der Welt abgehen, wenn es Dich nicht geben würde?
Hm, gute Frage. Der Welt würde ein halbwegs guter Film abgehen. Den Leuten im Raum Linz würden ein paar großartige Konzerten abgehen, die ich auf „meinem“ Festival, dem LINZFEST, ermöglichen konnte. Mich reden etwa heute noch immer wieder Leute auf ein Konzert der schottischen Gruppe Mogwai an, das 2009 Höhepunkt meines ersten LINZFEST-Programmes und wirklich ein Hammer war.
Ach ja, die WearFair würde es wohl auch ohne mich auch immer noch geben. Gute Ideen wie die WearFair setzen sich ja zum Glück doch immer wieder durch.
Wer sind Deine wichtigsten Unterstützer?
Ohne Zweifel meine Frau Renate, die mich niemals bremst, wenn sie eine Idee von mir gut findet – obwohl ihr bewusst ist, dass ich dann in der Umsetzung wohl wieder ein paar Wochen ausfalle für Kinderbetreuung oder Haushalt. Und der WearFair-Vorstand war in den vier Jahren, die ich jetzt dabei bin, immer ausschließlich unterstützend – das ist schon toll, solche Leute im Rücken zu haben.
Wie startest Du in den Tag? Gibt es besondere „Rituale“?
Ich mach meiner Frau, meiner Tochter und mir jeden Morgen um sechs einen Grünen Smoothie. Das trinken wir inzwischen schon seit Jahren, tut dem Körper unglaublich gut. Einfach Gurke, Vogerlsalat, Zitronensaft, Leinsamen und Flohsamenschalen pürieren – fertig! Das gibt Energie für den ganzen Tag.
Was braucht ein Tag, um perfekt zu sein?
Einen Kinobesuch.
Hast Du für unsere LeserInnen eine Buchempfehlung, einen web Tipp, einen Tipp für einen inspirierenden Platz, …?
Das Buch Kon-Tiki von Thor Heyerdahl aus dem Jahr 1950. Ein Buch über Mut und Entschlossenheit auf einem Level, den man sich kaum vorstellen kann, übrigens ein Tatsachenbericht. Das habe ich heuer aus einem Bücherschrank gezogen und binnen weniger Tage buchstäblich verschlungen. Unfassbar, was der damals gemacht hat.
Wen sollten wir noch für „way to passion“ interviewen?
Ingrid Gumpelmaier-Grandi von Fairytale Fashion! Was Ingrid mit ihrer unkonventionellen Art seit Jahren von einer Kleinstadt wie Eferding/OÖ aus hier in Österreich und in Nepal bewegt ist echt beeindruckend.
Zu guter Letzt: Kurze Fragen – kurze Antworten!
Zick-Zack Lebenslauf oder geradlinige Karriere?
Von außen schaut’s immer bei allen Leuten geradlinig aus, aber in Wahrheit ist’s bei jedem Zick-Zack!
Arbeite bedeutet für mich …
ein Bereich, mit dem ich extrem viel Lebenszeit verbringe. Daher möchte ich in diesem Bereich was Sinnvolles machen!
Leidenschaftlich gerne …
ins Kino!
Lieblingsort zum konzentrierten Arbeiten?
Mein nach meinen Entwürfen von einer Tischlerin gebauter Schreibtisch im Home-Office.
Auf meinem Smartphone Home Screen ist zu sehen …?
Ein Sonnenuntergang in den Baumwollfeldern in Mississippi, geschossen während dem Dreh meines ersten Filmes.
Um abends abzuschalten …
lese ich ein paar Seiten in einem Roman.