Claudia kann sich ein Leben ohne Reisen nicht vorstellen, regelmäßig packt sie mit Begeisterung ihren Rucksack und startet in neue Abenteuer. Nun soll es für ein halbes Jahr zu ihrem Freund Tom nach Peru gehen. Doch am Flughafen kommt einfach keine Vorfreude auf. Sie beginnt ihre Reiselust zu hinterfragen und über die klimapolitischen Konsequenzen ihres polyglotten Lebens nachzudenken.

Direkt, ehrlich, mit einer sympathischen Portion Selbstironie – Claudia Endrich lädt uns dazu ein, unsere eigene Lebensweise zu hinterfragen und bewusster zu gestalten.

Wie ist es überhaupt zum Buch „Das nächste Mal bleib ich daheim“ gekommen?

Mitten in meinem bislang reiseintensivsten Jahr ist mir bewusst geworden, dass da eine große Lücke zwischen meinem Umweltbewusstsein und meinem Selbstverständnis als „Globetrotterin“ klafft. Da ich zu diesem Zeitpunkt gerade bewusst ohne Laptop nach Südamerika aufgebrochen war, habe ich begonnen, meine Gedanken und Erlebnisse in mehreren Notizbüchern festzuhalten. Irgendwann hat sich dabei die Idee zu einem Buch entwickelt. Ich glaube, das war überhaupt nur möglich, weil ich damals sehr viel freie, unverplante Zeit hatte, in der die Idee in mir reifen konnte.

Warum gerade ein Buch?

Sprache ist das Mittel, über das ich mich am besten ausdrücken kann, und ich schätze die Bedachtsamkeit und Langsamkeit eines Buches. Sowohl beim Schreiben als auch beim Lesen nehmen wir uns Zeit, richtig in die Materie einzutauchen. Ich glaube, dass das heute besonders wichtig ist. Die schnellen Online-Häppchen stressen mich oft, als Senderin und Empfängerin. Außerdem ist das Thema einfach zu groß, um es in 140 Zeichen abzuhandeln.

Hat es dafür einen bestimmten Auslöser gegeben?

Ja, da gab es tatsächlich einen wichtigen Moment, den ich am Anfang des Buchs auch beschreibe. Ein Radiobeitrag und eine gute Freundin, mit der ich immer schon viel über Dinge wie Klimawandel und CO2-Fußabdrücke diskutiert habe, waren dabei ganz zentral.

Wie wird sich denn Reisen nach Corona verändern?

Ich habe momentan nicht den Eindruck, dass Corona viel an unserem Reiseverhalten ändern wird, von den jeweiligen notwendigen Beschränkungen mal abgesehen. Viele Menschen wollen einfach immer ganz dringend woanders hin, das ist schon ein spannendes Phänomen. Soweit wir also dürfen und es uns leisten können, werden wir immer reisen, glaube ich. Allerdings habe ich auch die Hoffnung, dass manche in der Zeit der Quarantäne gemerkt haben, dass eine Entschleunigung oft mehr Erholung bringt als ein rasanter Kurztrip ans andere Ende der Welt.

Hat „Reisen mit gutem Gewissen“ jetzt eine richtig gute Chance?

Heimaturlaub wird von der Tourismusbranche natürlich gerade intensiv beworben. Ich fände es schön, wenn diese Phase mehr Menschen motiviert, interessante und schöne Urlaubsorte zu finden, die ohne Flugzeug erreichbar sind, denn davon gibt es jede Menge, nicht nur in Österreich! Und da hilft es bestimmt, wenn die Branche gezwungen ist, Werbung dafür zu machen.

Wie wird man in 5 Jahren Reisen?

Hm, ob sich in fünf Jahren wirklich so viel ändert? Ich glaube fest daran, dass Europa ein schnelles, praktisches Zugnetz aufbauen wird, das viele Flüge ersetzen kann. Dafür sprechen nicht nur Umweltargumente, sondern auch wirtschaftliche Faktoren. Aber das wird noch etwas länger dauern. Dass absolute Billigflugtickets in Österreich nun verboten werden, finde ich auch einen wichtigen Schritt. Das könnte sich, wenn es nach mir ginge, rasch in Europa durchsetzen.

Was macht für Dich eine gute Reise aus?

Ich suche auf Reisen immer intensiv nach dem, was man meistens als „authentische“ Erlebnisse und Begegnungen bezeichnet. Das ist oft eine Herausforderung! Von vielen dieser mehr oder weniger gelungenen Versuchen erzähle ich auch im Buch. Was ich dabei gelernt habe, und was deshalb für mich heute eine gute Reise ausmacht, ist: Ich brauche viel Zeit und große Flexibilität. Denn die Begegnungen mit Einheimischen und ihren Lebensrealitäten ergeben sich nicht auf die Schnelle, sondern wenn ich bereit bin, dass mir diese Erfahrungen dann passieren, wenn sie mir gerade gar nicht in den Plan passen.

Was treibt Dich an?

Das Bewusstsein, welches Privileg ich in dieser Welt genieße. Ich sehe, wie viele Menschen weltweit keine andere Wahl haben als täglich ihr Überleben sichern zu müssen. Darum sehe ich es als meine Pflicht an, meine Fähigkeiten für das einzusetzen, was mir wirklich etwas bedeutet, ohne Angst davor, damit zu scheitern. Daran versuche ich mich möglichst oft selbst zu erinnern. Denn wir leben in einem wohlhabenden Mikrokosmos, in dem wir in Wahrheit nicht viel zu verlieren haben, wenn wir etwas riskieren.

Was macht Dich persönlich aus?

Ich wundere mich manchmal selbst, wie viel Weltschmerz und Begeisterungsfähigkeit gleichzeitig in mir Platz haben. In einem Moment kann ich sagen: „Ach, der Klimawandel wird uns sowieso ausrotten, es hilft ja alles nichts“, und im nächsten Moment kann ich mich total für eine Idee begeistern, die ein klitzekleines bisschen zu einer besseren Welt beiträgt. Das ist zwar oft anstrengend – vermutlich vor allem für die Menschen rund um mich (lacht) – aber ich kann es mir auch nicht anders vorstellen.

Was waren die Eckpfeiler, die dazu geführt haben dich dorthin zu bringen wo Du jetzt bist?

Liebe und positives Feedback von den Menschen, die mich begleiten, Geduld mit mir selbst, und die Grundregel: „Gut ist gut genug.“ Sonst hätte ich wahrscheinlich niemals irgendetwas zu Ende gebracht.

Was würde der Welt abgehen, wenn es Dich nicht geben würde?

Tja, es gäbe jedenfalls ein Buch weniger 😉

Was sind so Deine schönsten Geschichten bzw. Erlebnisse die Du bei Deinen Reisen erlebt hast?

Das ist jetzt vielleicht nicht die Antwort, die du dir vorgestellt hast. Trotzdem: Das schönste war es für mich immer, wenn der Abschied von einem Ort mich zum Weinen gebracht hat. Denn dann wusste ich, dass diese Reise eine Bedeutung hatte und mich nachhaltig verändert hat.

Wer sind Deine wichtigsten Unterstützer?

Mein Partner, meine Freunde und seit letztem Herbst mein Verlag. Ich schätze mich sehr glücklich, einen Verlag gefunden zu haben, der so begeistert und einfühlsam mit meinem Manuskript umgegangen ist. Das ist nicht selbstverständlich und gibt mir als unerfahrener Autorin das notwendige Selbstbewusstsein.

Leidenschaft schafft Leiden. Ist das bei Dir auch so? Wenn ja, welche?

Oh ja. Da wäre zuallererst, dass dir jeder sagt, dass man vom Schreiben nur sehr schwer leben kann, und die Vorstellung trotzdem extrem verlockend ist. Dann ist da die Sache mit dem Perfektionismus. Die Grundregel, von der ich schon gesprochen habe – „Gut ist gut genug.“ – finde ich viel leichter umzusetzen, wenn nicht zu viel Leidenschaft dahintersteht. Aber klar, wenn ich mein ganzes Herzblut wo hineinstecke, dann ist es sehr schwer, mit dem Ergebnis komplett zufrieden zu sein, bzw. das Ergebnis so stehenzulassen, ohne weiter an Details zu feilen. Dann fällt es mir auch viel schwerer, negatives Feedback zu akzeptieren.

Was sagen eigentlich Deine Freunde, Dein Umfeld, Deine Familien zu diesem Engagement?

Zum Buch an sich habe ich sehr viel positive Rückmeldungen bekommen. Das Thema, die Reisekritik, wurde teilweise heiß diskutiert, was ja auch irgendwie mein Ziel war. Ich habe erlebt, dass manche begonnen haben, ihre Reisepläne vor mir zu rechtfertigen. Da musste ich schnell klarmachen, dass das nicht notwendig ist – diese Entscheidungen trifft immer noch jeder und jede selbst 🙂

Wie startest Du in den Tag? Gibt es „Rituale“ die Du umsetzt?

Gelten 30 Minuten snoozen als Ritual? 😉

Hast Du für unsere LeserInnen eine Buchempfehlung, einen webtipp, einen Tipp für einen inspirierenden Platz, ….?

Den Newsletter von FUTURZWEI. Stiftung Zukunftsfähigkeit – Meiner Meinung nach fasst niemand wertvolle Zukunftsvisionen treffender zusammen.

Wen sollten wir noch für „way to passion“ interviewen?

Den jungen Mann aus Niederösterreich, der „traivelling“ gegründet hat. Ein Reisebüro für Fernreisen mit dem Zug – ich finde das genial und werde das bestimmt einmal ausprobieren!

Zu guter Letzt: Kurze Fragen – kurze Antworten!

Zick-Zack Lebenslauf oder geradlinige Karriere?
eine gerade Linie und parallel dazu ein Zick-Zack… 🙂

Arbeiten bedeutet für mich …
jede Art der Wert-Schöpfung. Dazu gehört vor allem jede Menge Arbeit, die in unserer Gesellschaft nicht oder schlecht bezahlt wird: kreative Arbeit, Arbeit im Haushalt, Pflege von Beziehungen und Menschen. Das alles sollte in unserer Gesellschaft viel mehr honoriert werden, und zwar nicht nur mit Applaus und Likes.

Leidenschaftlich gerne …
tanze und boxe ich.

Lieblingsort zum konzentrierten Arbeiten?
Mein Balkon mit Blick auf Innsbruck.

Auf meinem Smartphone Home Screen ist zu sehen …?
eine Bergaussicht im Winter, von der letzten Skitour im Februar. Sonst tatsächlich außer Uhrzeit, Datum und Wetter nichts!

Um abends abzuschalten …
schalte ich den Laptop aus und lese – Überraschung – ein Buch.