Nach zwei Jahren als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Social Entrepreneurship Center der WU Wien, ist Jonas Dinger seit 2018 Leiter des Social Impact Award Österreichs. Neben der akademischen Beschäftigung mit Social Entrepreneurship, arbeitete Jonas seit 2012 bei unterschiedlichen Umfeldorganisationen, wie bspw.: SEED – Promoting Entrepreneurship for Sustainable Development oder die GIZ (Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit). Jonas studierte im Bachelor Politikwissenschaft und Volkswirtschaftslehre an der LMU München sowie der Universität Vilnius und im Master Politikwissenschaft an der Universität Wien.

Was 2009 als Studierendenwettbewerb der WU Wien begann, hat sich inzwischen zu einer weltweiten Community für frühphasige Sozialunternehmen entwickelt, die Bildungs- und Inkubationsprogramme in mehr als 20 Ländern in Europa, Afrika und Asien anbietet, um angehende SozialunternehmerInnen bei der Entwicklung und Umsetzung innovativer Geschäftsideen zur Lösung zentraler gesellschaftlicher Herausforderungen zu unterstützen. Seit 2009 wurden durch den SIA, der jährlich ca. 10.000 Programm-TeilnehmerInnen betreut, mehr als 250 Sozialunternehmen mit dem Social Impact Award ausgezeichnet. So entstanden hunderte erfolgreiche Startups im In- und Ausland, die erfolgreich innovative Lösungen zur Überwindung zentraler gesellschaftlicher Herausforderungen entwickeln. Jonas Dinger leitet das Programm, das paralell in noch ca. 20 anderen Ländern läuft, in Österreich und ist damit für die Planung, Umsetzung und Kommunikation aller Teile des Programms verantwortlich.

Was treibt Dich im Leben an?

Einer der größten Antreiber für mich sind Ungerechtigkeiten. Also Antreiber im schlechten Sinne. Gerade bei offensichtlichen Ungerechtigkeiten zieht sich bei mir mein ganzes Inneres zusammen. Und dann ziemlich schnell überlege ich sofort schon was ich dagegen tun kann. Im Guten treibt mich an, wenn ich merke das ich tatsächlich was bewegen kann mit dem was ich tue.

Was macht Dich so ganz persönlich aus?

Dass ich ein schlimmer Besserwisser bin (und mich nicht immer selbst zu ernst nehme).

Wie hast Du die Welt der Social Entrepreneure für Dich entdeckt?

Ich habe Politikwissenschaft studiert und war so ein bisschen auf Entwicklungszusammenarbeit spezialisiert. Dann bin bei einem Praktikum bei der GIZ (die deutsche ADA quasi) auf das Thema zum ersten Mal gestoßen und so ging es weiter. Noch ein Praktikum, diesmal schon spezifisch zu sustainable entrepreneurship und auch bei einem Award-Programm, und anschließend war ich über meine Stelle an der WU auch schon beim SIA. Und wen der SIA einmal packt, der kommt nicht mehr so leicht los. ?

Was macht Deine derzeitige Aufgabe so spannend?

Was mir fast am besten gefällt an meinen Tätigkeiten, dass ich ständig mit super coolen, voll engagierten und spannende Menschen zusammenarbeite. In den Workshops des Social Impact Award überall in Österreich sind so viele engagierte Jugendliche und es macht urviel Spaß zu sehen, wie sie und ihre Projekte sich im Laufe der Zeit entwickeln.

Ansonsten ist mit am spannendsten für mich, dass der SIA einem so viele Freiräume lässt. Ich kann kreativ sein, wenn ich möchte und mir beispielsweise neue spannende Veranstaltungsformate ausdenken, muss das aber gar nicht unbedingt. Und ich kann inhaltlich eigene Schwerpunkte setzen und das finde ich schon sehr gut. Außerdem lerne ich jeden Tag etwas Neues hinzu und viel besser geht es ja kaum!

Wie schaut denn so ein Tag bei Jonas aus?

Beginnt mit Kaffee und geht weiter mit vielen Telefonaten und Emails. ? Also eigentlich wahrscheinlich wie so jeder typische Bürojob. Bei mir kommen dann noch immer relativ viele Treffen mit allen möglichen Menschen, die im Umfeld von Social Entrepreneurship tätig sind, dazu. Und dann je nach was für eine „Phase“ wir beim SIA haben, fahre ich im Zug durch ganz Österreich und habe 4-8 Workshops á drei Stunden in einer Woche. Dann verbringe ich auch mal eine Nacht bzw. ein Wochenende in Linz. Auch sonst organisieren wir ja relativ viele Veranstaltungen und dementsprechend bin ich natürlich auch viel auf Veranstaltungen zu sehen. Damit endet dann auch meistens mein Tag. ?

Was sind denn so die größten Herausforderungen mit denen du bei Deiner Arbeit konfrontiert wirst?

Das ich theoretisch arbeiten könnte bis ich umfalle und es trotzdem noch etwas zu tun gäbe. Als leichter Perfektionist ist das echt schwer für mich. Außerdem heißt das natürlich auch, ständig sich zu überlegen was jetzt gerade WIRKLICH wichtig ist und dann diese Dinge zuerst erledigen.

Was sind so Deine schönste Geschichten bzw. Erlebnisse die Du bei Deiner Tätigkeit erlebt hast?

Mit eine der schönsten Geschichten war sicherlich als sich vor einiger Zeit bei einem der SIA Workshop, die ich geleitet habe, eine Gruppe Jugendlicher kennengelernt hat. Diese Gruppe ist weiter gemeinsam zu unseren Workshops gegangen und hat ein sehr cooles Projekt eingereicht, dass mich geflüchteten Müttern und deren Kindern gearbeitet hat. Sie sind dann auch SIA Finalist (eines der zehn besten Projekte in einem Jahr) geworden, haben Prototypen gestartet und viel an ihrem Projekt gearbeitet. Dementsprechend haben sie dann auch einen der Social Impact Awards gewonnen. Die Geschichte wäre perfekt, wenn es das Social Start-up immer noch gäbe… Aber das gehört dazu und alle Beteiligten haben so viel an diesem Prozess gelernt, dass das für mich trotzdem zu einem der schönsten Erlebnisse gehört. ?

Bist Du eigentlich neidisch, wenn Du hörst das Start Ups im FinTech und Technik Bereich mit riesen Summen unterstützt werden?

Haha – Tja. Ich würde sagen nicht nur bei Start-up Bereich ist der Sozialbereich finanziell deutlich schlechter gestellter als andere Branchen. Sich darüber zu ärgern ist müßig und bringt wenig. Aber natürlich, emotional kann ich das nicht nachvollziehen.

Wie wichtig schätzt Du Social Entrepreneurship für unsere Gesellschaft ein?

Ich glaube, dass es durchaus seinen Teil beitragen kann zu einer nachhaltigen sozial-ökologischen Transformation unserer Gesellschaft. Ganz alleine wird es nicht gehen und Social Entrepreneurship ist sicherlich auch kein Perpetuum mobile oder eine Wunderwaffe oder so etwas in der Art und löst all unsere Probleme auf magische Art und Weise. Aber vor allem die Art und Weise wie wir in den westlichen Ländern Wirtschaften muss sich glaube ich relativ radikal ändern und Social Entrepreneurship (zu dem ich auch ökologische Initiativen zähle) ist da glaube ich ein sehr gutes Tool. Es gibt den Begriff der „prefiguration“ oder aber der „Leuchtturmprojekte“, die beide glaube ich gut den möglichen Beitrag Social Entrepreneurships für gesellschaftlichen Wandel erfassen. Dabei geht es immer darum, bereits im hier und jetzt Alternativen aufzuzeigen und eine andere Realität möglich werden lassen, zeigen das es eben auch anders geht.

Was braucht´s insgesamt an Unterstützung für vielfältiges Unternehmertum?

Viel und vor allem viel mehr als es jetzt gibt! Ich glaube die Unterstützung dafür sollte genauso vielfältig aussehen wie auch Unternehmertum sein kann bzw. sein sollte. Dazu zählt zum einen eine Veränderung des Bildungssystems, in dem bisher nur eine Sichtweise auf Wirtschaft und auf Unternehmertum gelehrt und gelernt wird (Unternehmen müssen nach Gewinnstreben und that’s it). Aber damit ist es sicherlich noch nicht getan, ich bin sehr stark auch für Steuererleichterungen (beispielsweise für Kooperativen oder Mitarbeiter-geführte Unternehmen) und spezifische staatliche Förderungen für alternative Unternehmen. In den meisten Gründungsberatungen spielen alternative Modelle, wie beispielsweise Kooperativen, keine Rolle.

Gibt´s von Dir geheime Projekte die irgendwo in einer Schublade versteckt sind?

Ja, da gibt es tatsächlich einige. Aber die kann ich jetzt natürlich nicht verraten…

Was würde der Welt abgehen, wenn es Dich nicht geben würde?

Na hoffentlich viel ?

Wer baut Dich auf, wenn es einmal nicht so klappt?

Freunde, Familie und meine Freundin. Ohne dieses Unterstützungsnetzwerk wäre vieles nicht möglich.

Was sagen eigentlich Deine Freunde, Dein Umfeld, Deine Familie zu diesem Engagement?

Hauptsächlich, dass ich wo hingehen solle wo ich weniger arbeiten muss und mehr verdiene. ? Im Ernst: Eigentlich alle finden es sehr gut und sehen vor allem auch wie es mir Spaß macht. Allerdings muss ich auch sagen, meinen Großeltern zu erklären was ich genau mache ist nicht unbedingt einfach…

Hast Du für unsere LeserInnen einen Buchempfehlung, einen webtipp, einen Tipp für einen inspirierenden Platz, …?

Uh ich habe viele Tipps! Eines meiner Lieblingsbücher, dass sich um Wirtschaft dreht ist sicherlich „Poor Economics“ von Esther Duflo und Abhijt Banerjee. Im Bereich Social Entrepreneurship ist es wohl das Lehrbuch (Social Entrepreneurship: Cases and Concepts) von Esther Barinaga (und vor allem auch ihre Artikel, wie „Overcoming inertia: The social question in social entrepreneurship“). Podcasts empfehle ich Allen „The War on Cars“ und ansonste liebe ich die Steinhofgründe in Wien. Dort hat man die besten Ideen.

Wen sollten wir noch für „way to passion“ interviewen?

Alle unserer Alumnis eigenen sich auf jeden Fall ?

….gibt es sonst noch Geschichten, Erfahrungen die Du uns erzählen willst?

Ich kann viel zu viel reden, deshalb hören wir lieber auf. Das nimmt sonst kein Ende mehr…